10 Fragen an André Eymann (VSG)

von | 03.04.2020 | 10 Fragen an ..., Spielstraße, Stadtgespräch

Ich könnte ins Schwärmen kommen, denn für mich ist die gesamte Community des Blogs ein Highlight an sich. Es ist wunderbar, mit welcher Hingabe und Authentizität die AutorInnen schreiben und sich gegenseitig unterstützen.

Seit 2009 sammelt André Eymann auf der Webseite videospielgeschichten.de (VSG) persönliche Gastbeiträge rund um das Spiel. Im Gespräch hat er Satzhüterin Pia erzählt, warum er sein Hobby nie zum Beruf machen würde, was ihm die Community bedeutet und wie es sich anfühlt, ein Videospiel-Dinosaurier zu sein.

1. Was genau ist VSG? Wer schreibt dort und was sind die Inhalte?

VSG steht für Videospielgeschichten und ist eine offene Plattform für Hobbyautoren und Journalisten. Der Blog wurde gegründet, um es jedem Menschen, unabhängig von seiner Profession, zu ermöglichen, persönlich, authentisch und unabhängig über Videospiele zu schreiben. Das wichtigste dabei ist für mich die Subjektivität. Die Beiträge auf der Webseite sollen ganz bewusst mit einer „persönlichen Note“ geschrieben sein und Mensch und Spiel als Einheit widergeben.

Schreiben darf bei uns jeder, der seiner Leidenschaft zu Videospielen und ihrem Kontext Ausdruck verleihen möchte. Die Beiträge spannen dabei einen großen Bogen. Von teils sehr persönlichen Betrachtungen über lebendige Reportagen bis zu komplexen thematischen Abhandlungen.

 2. Wie ist VSG entstanden?

Ein Freund von mir, Guido Frank, hatte im Februar 2001 seine Erlebnisse mit Activisions Klassiker „Pitfall!“ aufgeschrieben und auf meiner damaligen Webseite veröffentlicht. Ursprünglich sammelte ich auf dieser Webseite Anleitungen für Atari VCS Spiele. Mehr und mehr Artikel kamen hinzu und im Jahr 2009 gründete ich Videospielgeschichten, um ausschließlich Beiträge über Videospiele zu veröffentlichen.

3. Du hast kürzlich unter anderem ein E-Book zum Gemeinschaftsprojekt „Mein Augenblick des Glücks in Videospielen“ herausgebracht – wie kamst du auf E-Books zusätzlich zur Webseite?

Als ich die zahlreichen Einzelbeiträge zum Gemeinschaftsprojekt „Mein Augenblick des Glücks“ am Bildschirm las, kam mir die Idee, diese in einem „Buch“ zusammenzufassen. Ich stellte mir vor, dass sich die Vielfalt und der Tiefgang der Texte noch besser in Buchform lesen lassen würden als vor dem stationären Computer.

Das Thema E-Books hatte mich im Zusammenhang mit den Blogbeiträgen schon vorher interessiert. Mit dem Projekt der Augenblicke hatte ich nun einen geeigneten Anlass, es in die Praxis umzusetzen. Dabei trieb mich auch an, dass ich technisch wissen wollte, wie man ein E-Book produziert. Tatsächlich ist die grundsätzliche Erweiterung des Blogs über E-Book-Inhalte naheliegend, denn die meisten Texte bei Videospielgeschichten sind „essayhaft“ und lassen sich aus meiner Sicht wunderbar mit einem E-Reader lesen.

4. Was waren aus deiner Sicht die bisher größten Highlights für VSG?

Das bereits erwähnte Gemeinschaftsprojekt mit über 70 Einsendungen gehört zweifellos zu den bisher größten Highlights von VSG. Die Resonanz und die Offenheit der Mitwirkenden haben mich wirklich berührt. Es ist etwas entstanden, das nur durch eine Community entstehen kann und ohne die Leidenschaft jeder einzelnen Person nicht denkbar gewesen wäre.

Darüber hinaus sind viele weitere Aspekte von VSG für mich persönliche Highlights. Beispielsweise die eingesprochenen Audio-Beiträge einiger AutorInnen oder die Tatsache, dass sich die Mitwirkenden untereinander vernetzen und dadurch sogar Bekanntschaften entstehen. Ich könnte ins Schwärmen kommen, denn für mich ist die gesamte Community des Blogs ein Highlight an sich. Es ist wunderbar, mit welcher Hingabe und Authentizität die AutorInnen schreiben und sich gegenseitig unterstützen.

5. Genau wie VSG hat auch die Spielewelt einen großen Wandel mit der Zeit durchgemacht. Wie hast du persönlich das erlebt?

Ich wurde 1971 geboren und gehöre damit zu den Dinosauriern unter den Videospielenden. Aufgewachsen mit PONG-Konsolen und Videospielautomaten habe ich jede Gerätegeneration persönlich miterlebt. In der Rückschau ist es unfassbar, was aus dem „Bildschirmtennis“ der Telespiele der Siebziger geworden ist. Heute sind Videospiele ein integraler Bestandteil unserer Freizeit- und Kunstwelt und transportieren sogar politische Themen. Was einst noch als „freakige“ Spielerei einiger abgetan wurde, ist mittlerweile quer durch die Gesellschaft anerkannt. Ich staune oft über diese Entwicklung und freue mich, dass die Spielkultur eine so große Verbreitung erlangt hat.

Als greifbares Ergebnis dieses Wandels liebe ich Videospiele aller Generationen. In meinem Hobbyzimmer steht neben der PS4 ein Atari 800 XL Heimcomputer, auf dem ich zwischendurch immer wieder spiele. So geben sich „The Witcher 3: Wild Hunt“ von 2015 und „Gateway to Apshai“ von 1983 die Klinke in die Hand. 32 Jahre liegen zwischen diesen beiden Spielen! Und dennoch liebe ich beide Titel gleichwertig. Die Magie für mich dabei: Videospiele werden nicht „alt“, die Liebe zu ihnen bleibt zeitlos.

6. Ist etwas in dieser Zeit auf der Strecke geblieben, was du dir zurückwünschst?

Natürlich waren es magische Momente als Elfjähriger mit dem besten Freund das Abenteuer von „The Mask of the Sun“ vor dem Commodore 64 gemeinsam zu lösen. Oder fiebrig in Spielzeitschriften zu lesen, welches Top-Spiel als nächstes kommen wird. Kooperatives Spielen in dieser Form und auch die papiernen Magazine von einst gibt es nicht mehr. Dafür aber viele neue Dinge wie beispielsweise die bunte Welt der Indie-Games oder die Möglichkeiten des Austausches der Spielenden über Social Media und Blogs. Dazu zählt natürlich auch VSG, eine Plattform, die es damals so nicht gegeben hätte.

7. Was spielst du in deiner Freizeit am liebsten? Und warum?

Neben Familie und Beruf bleibt leider wenig Zeit zum Spielen. Die knappe Freizeit investiere ich zu großen Anteilen in den Blog und den damit verbundenen sozialen Austausch. Wenn sich aber doch größere Lücken ergeben, spiele ich meist Spiele, die mich nicht stressen. Spontan fällt mir das großartige „Witcher 3“ ein. Hier kann ich das Tempo bestimmen und mir einteilen, was ich am Abend erleben möchte. In der jüngeren Vergangenheit spielte ich auch mit viel Freude „Firewatch“ oder „Virginia“. Alles Titel, die eher entspannen und auf ihre Art erzählerisch sind.

8. Wie wichtig ist dir die Interaktion mit Leserinnen und Lesern? Ersetzt Social Media alles oder wünscht du dir viel Kommunikation auf der Webseite selbst?

Die Interaktion mit der Community des Blogs ist mir sehr wichtig, denn VSG ist nicht nur eine Veröffentlichungs-, sondern auch eine Interaktionsplattform. Die Kommentare zu den Beiträgen sind selten Einzeiler, sondern vielschichtiges und oft gut ausformuliertes Feedback, das den Text ergänzt und neue Aspekte hinzufügt. So entsteht ein Diskurs rund um die Inhalte. Ich persönlich trete hier als Herausgeber auf und versuche, die Beiträge der AutorInnen bestmöglich zu präsentieren und den Austausch zu fördern.

Für einen Dialog eignet sich ein Blog, beziehungsweise die Kommentarkultur auf einem Blog, besser als die sozialen Medien. Bei Twitter zum Beispiel kann ich sehr schnell Informationen „abladen“, aber sehr schlecht komplexe Themen „besprechen“. Hinzu kommt die technisch bedingte Verkürzung der Nachrichten. Deshalb versuche ich die Rolle rückwärts und nutze Twitter dazu, die Menschen auf den Kommentarbereich des Blogs hinzuweisen.

9. Welche Frage hast du dir in einem Interview schon immer gewünscht? Wie würde deine Antwort auf deine Frage lauten?

Ob ich gern mein Hobby zum Beruf machen würde? Und die Antwort lautet: nein! Für mich ist die Liebe zu Videospielen und das damit verbundene Schreiben und Veröffentlichen ein wichtiger Ausgleich zum privaten und beruflichen Alltag. Würde ich das eintauschen, würde ich mich dieses Ausgleichs berauben und schlimmer noch, vielleicht sogar das Kreative und Unbestimmte des künstlerischen Ausdrucks durch Geld, Termindruck und Eingriffe von außen zerstören lassen.

10. Wenn du ein Videospiel wärst, welches wäre es?

 „Virgina“ von Variable State. Ich liebe Adventures, die Geschichten „erlebbar“ machen. Für mich sind das interaktive Bücher, die ihre Vorfahren in der „Interactive Fiction“ der Achtziger Jahre haben. Damals haben Firmen wie Infocom textbasierte Abenteuer erschaffen, die uns zum ersten Mal in Fantasiewelten am Computer entführten. Ähnlich wie Bücher es können.

Vielen Dank für das schöne Gespräch!

Foto: privat

Bücherstadt Magazin

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

4 Kommentare

  1. Avatar

    Ein sehr schönes Interview, dass hoffentlich dazu beiträgt, dass VSG zu noch größerer Bekanntheit gelangt. Somit zu mehr neuen AutorInnen, die viele tolle Geschichten über Videospiele schreiben. Ich bin zwar nicht seit Anfang an dabei, aber was in den letzten Jahren mit und um VSG herum passiert ist, ist einfach nur toll und André ist da der wichtigste Faktor. Denn er spricht zwar viel über die wirklich tolle Community, aber ohne seine Arbeit wäre das alles nicht möglich.

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  2. Satzhüterin Pia

    Hallo Lenny, vielen Dank! Wir freuen uns sehr, André und VSG auf diese Art vorstellen zu können und es ist natürlich großartig, dass das Interview der Community und den Leserinnen und Lesern gefällt.

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  3. Avatar

    Ich möchte mich noch einmal herzlich für das Interview bedanken. Es hat mir eine große Freude bereitet, bei eurem schönen Projekt mitwirken zu dürfen. Es ist immer wunderbar, so freundliche und angenehme Menschen wie euch zu treffen.

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  4. Satzhüterin Pia

    Dankeschön André! Ich hatte viel Spaß beim Zusammenstellen der Fragen und noch mehr Spaß beim Lesen der Antworten 🙂 Und ja, da stimme ich dir vollkommen zu, mit so tollen Kontakten macht das gleich noch mehr Freude!

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