Das illustrierte Tagebuch „3/11 Tagebuch nach Fukushima“ von Yuko Ichimura beginnt ohne Vorwarnung mitten im Geschehen. Vorangestellt wird ein Comicstrip, bei dem sich die Leser direkt am 11. März 2011, dem ersten Tag des Erdbebens in Tokio, wiederfinden. Dieses Datum erklärt wohl auch den Titel des Buches. – Von Geschichtenzeichnerin Celina
„Ich dachte ich muss sterben“, lautet der erste Tagebucheintrag nach dem ersten Katastrophentag von Yuko Ichimura (im Buch nur Yuko). Yuko ist eine sich hier selbst darstellende Zeichnerin, die beim Erdbeben vor Ort in Tokio war, weil sie dort wohnte und arbeitete. Darauf folgend werden weitere Tagebucheinträgen dargelegt, was sich in ihrem Leben sowie generell zu dieser Zeit in Japan und speziell inTokio abspielt hat. Dies führt einem genau vor Augen, wie beängstigend und gefährlich die Lage in Japan tatsächlich war. So heißt es zum Beispiel, dass am 13. März immer noch die Erde bebte und am 15. März noch vier bis fünf Nachbeben am Tag erfolgten und dass auch der erste Atomreaktor in Fukushima explodierte.
Jeder Tag ist hierbei nochmal in Untertitel aufgegliedert, die kurz die wesentlichen Aussagen vom Tag festhalten. Somit bietet das Buch eine detaillierte Betrachtungsweise und Schilderung von den Tagen des Tsunamis und der Katastrophe mit dem Atomkraftwerk in Fukushima wie auch den Folgetagen. Dabei wird die bürgerliche Perspektive von Yuko eingenommen, die aus ihrer Sicht die Lage beleuchtet und auch eigene Erkenntnisse, Stellungnahmen und Eindrücke sowie private Gefühle mit einbezieht und darstellt. Die dabei entstehenden gemischten Gefühle, zwischen Bangen und Hoffen, Trauer und die Freude darüber zu leben, aus Solidarität zu bleiben oder weggehen zu wollen, hoher Anspannung und zeitweiliger Entspannung, werden gut vermittelt.
Hierbei sind die Tage nicht nur schriftlich, sondern auch visuell dokumentiert, denn zu jedem Tag gibt es von Yuko eine Illustration. Diese japanisch angehauchten Zeichnungen in schwarz-weiß erscheinen einfach und weisen doch einen Detailreichtum auf. Zudem schafft es die Protagonistin trotz der tragischen und prekären Situation, sowohl im Text als auch in ihren Illustrationen ironisch und humorvoll zu bleiben. Dies entzieht dem Ganzen nicht die Ersthaftigkeit, entlockt den Lesern jedoch des Öfteren ein Schmunzeln. Wie zum Beispiel als es kurz um Nattou, eine Paste aus Sojabohnen, geht, die ihrer Ansicht nach stinkt. Angeblich sollte dieses Lebensmittel Strahlungsschäden entgegenwirken, weswegen es ausverkauft war. Ihr Abschlusssatz zu diesem Unterkapitel ist: „Jetzt werden wohl viele Kühlschränke in der Stadt sehr viel unangenehmer riechen als üblich.“
Dabei zeichnet sich ihre ironische und direkte Art ab, die sich auch gegen solche wendet, die aus der Panikmache vor Radioaktivität sogar noch ihren Nutzen ziehen. Außerdem werden der Alltag und die Umwelt mit einbezogen. So etwa der Einkauf im Supermarkt oder das Zusammenleben mit ihrem Freund – aber auch, welchen Stellenwert das Internet und Handys einnehmen, um Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen und neueste Informationen bekommen zu können.
Abschließend lässt sich sagen, dass im ganzen Buch die Veränderungen im Alltäglichen und schließlich auch im Denken und Handeln der Protagonisten sichtbar werden. Daher ist diese Form des Tagebuchs sehr persönlich und wirkt sprachlich sowie visuell unverfälscht und authentisch. „3/11 Tagebuch nach Fukushima“ ist damit ein besonderes Tagebuch, das die Leser trotz Tragik zum Lächeln bringen und dabei noch mit stilistisch und thematisch passenden Illustrationen glänzen kann.
3/11 Tagebuch nach Fukushima. Yuko Ichimura. Übersetzt von Tim Rittmann.
Carlsen. 2012. BK-Altersempfehlung: ab 12 Jahren.
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