Weinende Kinder – da könnten Eltern und ErzieherInnen sicher so einige Geschichten erzählen. Zum Beispiel, dass es dabei darum geht, den eigenen Willen durchzusetzen oder Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Oder zu zeigen, dass man gerade sehr traurig ist. Wie geht man denn mit so einem Geheule um? Gabriaela Rubia bietet mit „Ach, du lieber Heultiger!“ einen kleinen Lösungsansatz.
Der kleine Tiger Miro heult und heult und heult, sodass alle Tiere im Wald schon genervt von ihm sind. Keiner weiß, was mit ihm los ist – auch Miro selbst nicht. Er kann einfach nicht mehr aufhören zu weinen! Die Tiere versuchen es mit Geschrei: „Hör endlich auf!“ Sie wenden die Methode des Lobes an: „Nette Tiere weinen nicht ohne Grund.“ Oder: „[…] tapfere Tiere sollten nicht einfach so weinen.“ Doch auch das nützt nichts. Es wird nur noch schlimmer, denn Miro weiß nicht, ob er wirklich so nett und tapfer und groß ist. Aber er wünscht sich sehr,groß zu sein, denn dann würden ihm alle Tiere gehorchen. Er müsste nichts mehr essen, was er nicht essen will, und nichts mehr machen, worauf er keine Lust hat. Bei dem Gedanken daran, dass keiner auf ihn hört, muss er noch mehr weinen. Bis ihm einfällt: Er kann auf sich selbst hören. Und plötzlich ist er fertig mit Weinen.
Wenn dieses Buch etwas zeigt, dann ist es das Scheitern der Außenstehenden gegenüber dem Heulenden. Hier stoßen die Methoden an ihre Grenzen. Nichts kann den Tiger besänftigen, nichts kann seine Tränen versiegen lassen – außer ihm selbst. Dass diese Selbstkontrolle erst erlernt werden muss, müssen auch die anderen Tiere begreifen. Ebenso wie die Tatsache, dass es sinnlos ist, den Weinenden anzuschreien oder ihm zu drohen. Es hätte nur den gegenteiligen Effekt.
Was dieses Bilderbuch außerdem zeigt: Der Weinende wird nicht verstoßen; die Tiere bleiben die ganze Zeit über in seiner Nähe, auch wenn sie nichts mit ihm anzufangen wissen. Als er es schafft, mit dem Weinen aufzuhören, freuen sich alle mit ihm und keiner ist wütend. Das zeigt in einem eindrucksvollen Abschlussbild, dass der Tiger trotz allem so akzeptiert wird, wie er ist.
Die dargestellten Situationen mögen ebenso wie die Illustrationen sehr plakativ wirken – denn weder im Text noch in den Bildern finden sich Tiefen und Abstufungen – doch stört dies bei der Aussage des Bilderbuches nicht. Im Gegenteil: Gerade durch diese klare Gestaltung ist die Geschichte schneller zu erfassen und kann somit als Hilfsmittel herangezogen werden, wenn das Kind partout untröstlich ist. Natürlich je nach Situation und wenn der kleine Heultiger das mitmacht. Ansonsten kann man immer noch zu einem anderen Lösungsansatz greifen: ruhig bleiben und abwarten.
Zeichensetzerin Alexa
Ach, du lieber Heultiger! Gabriela Rubio. Übersetzung: Eva Roth. Atlantis. 2015.
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