Tierische Weihnachts(un)freuden
Weihnachten im Kreis der Familie – für viele vielleicht noch immer das angestrebte Ideal. Dabei muss „Familie“ keineswegs bei Blutsverwandtschaft enden. In meinem Fall schließt sie neben Mutter, Vater, Schwester und Bruder noch einen Hund und sieben Katzen mit ein.
Bis vor einigen Jahren lebte neben unserer Hündin Ronja auch deren beste Freundin Tina bei uns. Tina war stets ein aufgeweckter Hund – wer sie persönlich kannte, weiß, dass dies ein Euphemismus ist. Eigentlich saß Tina so gut wie nie still, selbst im Schlaf hat sie „gesprochen“ und wild mit den Pfoten gescharrt. Klar, dass ihr Körper einen riesigen Bedarf an Energiezufuhr hatte – oder anders gesagt: Tina hat alles gegessen, was ihr vor die Schnauze kam.
In unserer Familie ist es nun Tradition, dass es neben diversen Keks- und Plätzchensorten Heiligabend einen Buche de Noel gibt, einen französischen Weihnachtskuchen. Mit seinen diversen Lagen aus Creme, Marmeladenfüllung und Teig ist er nicht ganz einfach herzustellen und braucht seine Zeit. Nach dem üppigen Weihnachtsmenü ist selten für mehr als ein Stück Platz im Magen, sodass die Reste in der Regel noch für die Weihnachtsfeiertage reichen. Nicht so jedoch vor ein paar Jahren.
Nach Essen, Bescherung und besinnlichem Zusammensein gingen wir schließlich glücklich ins Bett. Am nächsten Morgen freuten wir uns auf ein ausgiebiges Frühstück inklusive Buche de Noell. Meine Mutter war als erste unten. Ihr Schrei hallte durch das ganze Haus. Es war ein Schrei des Entsetzens – zu gleichen Teilen der Tatsache geschuldet, dass der gesamte Weihnachtskuchen aufgegessen war sowie der Feststellung, dass die vielen Kilokalorien scheinbar alle ihren Weg in Tinas Magen gefunden hatten. Das konnte der Hund doch eigentlich gar nicht überlebt haben? Zumindest musste ihr doch furchtbar schlecht sein!
Aber weit gefehlt! Nach dem ersten Schreck und nachdem wir uns vergewissert hatten, dass Tina wohlauf war, stellte sich meine Mutter erneut in die Küche und zauberte Donauwellen als unzureichenden, aber dennoch ausgesprochen leckeren Ersatz für den Kuchen. Am Abend waren auch hiervon noch einige Stücke übrig und diesmal stellten wir den Teller abgedeckt auf den Schrank und verschlossen die Tür zum Esszimmer. Wir staunten nicht schlecht, als wir am nächsten Morgen zum Frühstück kamen und der Teller auf dem Boden vor der offenen Tür lag – selbstverständlich ohne Inhalt. Tinas scheinbar unzerstörbarer Magen ist seitdem zum Running Gag geworden.
Nur ein Jahr später taten sich zwei andere Mitbewohner durch ihre „Arbeitsbereitschaft“ hervor. Heiligabend, noch vor der Bescherung, saß ich in eine Decke gekuschelt auf der Couch und war in den neuesten Stephen King-Roman vertieft, als ich plötzlich ein lautes Scheppern hörte. Erschrocken blickte ich auf und sah gerade noch, wie der gesamte, über zwei Meter hohe Weihnachtsbaum umstürzte, seinen Ständer mit sich riss und das Wasser darin über den Berg Geschenke ergoss, der zu seinen Füßen lag. Für einen Moment war ich wie gelähmt, da sah ich plötzlich zwei kleine, rot-braune Köpfchen aus dem Grün der Zweige hervorgucken. Findus und Mico besahen sich ihr Werk und waren sichtlich zufrieden mit ihrer Leistung. Seitdem wird der Weihnachtsbaum mit mehreren Seilen gesichert.
Ja, mit tierischen Hausgenossen kann man so einiges erleben, auch an den Feiertagen. Und dennoch: Gibt es ein wohligeres Gefühl, als Heiligabend mit der gesamten Familie beisammenzusitzen, die besinnliche Bescherung in vollem Gange, auf dem Tisch leckere Kekse und dampfender Kakao, um (und auf) uns diverse schnurrende Katzen, gemütlich zusammengerollt. Die Hundedame birgt zwar eine nicht geringe Stolpergefahr, wie sie da so mitten im Raum liegt und den Schlaf der Gerechten schläft, aber was wäre das Leben ohne Risiko? Im Hintergrund ertönt leise Musik und ich weiß: Das ist Weihnachten.
Erzähldetektivin Annette
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