Alleinreisendes Kind sucht Liebe

von | 04.03.2023 | Buchpranger, Sach- und Fachbücher

In der Autobiografie „Friends, Lovers and the Big Terrible Thing“ erzählt der Schauspieler Matthew Perry seine Lebensgeschichte. Vom Kennenlernen seiner Eltern bis zum Erscheinen des Buches. Auf dem orangenen Sofa des Central Perk hat sich Seitentänzerin Michelle-Denise seine Geschichte angehört und mitgefühlt.

Von 1994 bis 2004 spielte Matthew Perry als Chandler Bing in der erfolgreichen Sitcom „Friends“ die Rolle seines Lebens. In seiner Autobiografie geht er darauf ein, wie wichtig „Friends“ für ihn war, immer noch ist und auch bleiben wird. Er erzählt von seinen Süchten nach Zigaretten, Alkohol und Tabletten und beschreibt dabei genau, wie es in ihm aussieht. Wie gebrochen er trotz des Weltruhms ist und warum er sich danach sehnt, eine Familie zu gründen.

Durch Intermezzos unterbrochene Kapitel

Perry erzählt seine Lebensgeschichte weitestgehend chronologisch, springt zwischenzeitlich jedoch häufig in Intermezzos zu bestimmten Episoden seines Lebens, in denen sein gesundheitlicher Zustand äußerst dramatisch war. Das wirkt sich zunächst an einigen Stellen etwas verwirrend auf den Lesefluss aus, aber nach und nach findet man sich in die unterschiedlichen Zeiten gut ein.

Nach der Scheidung seiner Eltern war Perry gezwungen, als alleinreisendes Kind mit dem Flugzeug zwischen seinem Zuhause bei seiner Mutter in Kanada und dem in den USA lebenden Vater zu pendeln. Diese Momente haben ihn nachhaltig gezeichnet, denn er fühlte dabei Angst und Einsamkeit, die ihn sein ganzes Leben fortan begleiten sollten und zunächst durch Humor, später auch durch Alkohol und Tabletten überspielt wurden. Diese traurigen Gefühle ziehen sich nahezu durch das gesamte Buch und ließen mich mit ihm fühlen. Nach jedem Kapitel hoffte ich, dass er die Einsamkeit überwinden würde und mit Liebe füllen könnte.

Starke Emotionen

Nachdem er seine Karriere als Profitennisspieler aufgab, wagte er sich an die Schauspielerei und trat so in die Fußstapfen seines Vaters. Als er nach ersten kleineren Rollen für eine Serie namens „LAX 2194“ unterschrieb, hörte er von einer neuen Serie: „Friends like us“ (später unter dem Titel „Friends“ ausgestrahlt). Er wollte die Rolle als Chandler Bing unbedingt, weil er sich in Chandler wiedererkannte. Allerdings hatte er sich bereits vertraglich an die andere Serie gebunden. Besonders bei diesem Kapitel fieberte ich mit Perry mit. Obwohl bekannt ist, dass er die Rolle bei „Friends“ doch noch bekommen hat, berichtet er von dieser verzwickten Zeit so emotional und verzweifelt, dass man nicht umhin kommt, ihm die Daumen zu drücken.

Die Alkohol- und Tablettensucht hat Perry nicht nur einmal beinahe sterben lassen. Ich hatte erwartet, dass er von diversen Aufenthalten im Krankenhaus oder Drogenentzug berichten würde, aber dass er quasi permanent dort war und nebenbei immer noch „Friends“ und weitere Filme drehte, hat mich schockiert. Der Schauspieler berichtet nicht nur von seinen Süchten, sondern auch woran man erkennt, welcher Sucht er gerade verfallen war. War er dick, war es Alkohol. War er dünn, waren es Pillen. Trug er einen Bart, waren es viele Pillen. Mit diesem Wissen betrachtet man die optische Veränderung seiner Rolle in „Friends“ rückblickend noch genauer.

Ungeschönte Autobiografie mit viel Herz

Was zunächst durch die Zeitwechsel so holprig begann, dass ich die Autobiografie fast zur Seite gelegt hätte, änderte sich schnell. Sehr schnell sogar. Nach den ersten Kapiteln hat mich das Buch regelrecht gefesselt. Ich konnte es nicht mehr aus der Hand legen und habe es innerhalb kürzester Zeit gelesen. Wer seine Rolle als Chandler Bing kennt, bekommt das Gefühl, dass dieser Perrys Lebensgeschichte erzählt. Süchtig nach Zigaretten, etwas traurig, aber immer mit einer guten Prise (schwarzem) Humor. Der Schmerz wird stets irgendwann in Humor verwandelt. So schlecht es ihm auch gehen mag, er versucht immer einen situationsabhängigen Witz zu machen. „Friends, Lovers and the Big Terrible Thing“ gibt nicht nur einen Einblick in Perrys Karriere, sondern auch in sein bewegtes Seelenleben. Man kommt nicht umhin, mit ihm zu lachen, zu leiden, zu hoffen. Eine ungeschönte Autobiografie voller Emotionen, die nachhallt.

Friends, Lovers and the Big Terrible Thing. Matthew Perry. Übersetzung: Thomas Gilbert, Wiebke Pilz und Nina Restemeier. Lübbe. 2022.

Michelle-Denise Oerding

Michelle-Denise Oerding

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Newsletter

Erhaltet einmal im Monat News aus Bücherstadt. Mehr Informationen zum Newsletter gibt es hier.

Wir sind umgezogen!

Wir sind vor einer Weile umgezogen und müssen noch einige Kisten auspacken. Noch steht nicht alles an der richtigen Stelle. Solltet ihr etwas vermissen oder Fehler entdecken, freuen wir uns über eine Nachricht an mail@buecherstadtmagazin.de – vielen Dank!

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner