Eigentlich geht es hier um eine aktuelle Vertonung des Märchens „Die Schöne und das Tier“, doch Zeilenschwimmerin Ronja konnte nicht verhindern, dass das angehäufte Wissen aus ihrer Masterarbeit heraussprudelte.
Das Märchen „Die Schöne und das Tier“ ist den meisten wohl eher unter dem Titel „Die Schöne und das Biest“ als Disney-Film (von 1991 oder 2017) bekannt. Natürlich ist es aber schon viel älter und existiert in diversen Varianten, wie ich bei der Recherche für meine Masterarbeit herausfand. Das erste Mal unter dem heute bekannten Titel erschien es 1740, verfasst von Gabrielle-Suzanne de Villeneuve. Ihre Version ist ziemlich lang und enthält viele Wiederholungen – daher ist selbst die 208-seitige Ausgabe des Coppenrath Verlags (2017) gekürzt und bearbeitet. Somit ist es auch kein Wunder, dass die nur wenige Jahre (1756) nach Villeneuves Version erschienene und stark gekürzte Veröffentlichung des Märchens durch Jeanne-Marie Leprince de Beaumont unter demselben Titel (auf Deutsch jedoch als „Die Schöne und das Tier“), sich durchgesetzt hat und Grundlage für die meisten Verfilmungen ist.
So auch für eine ältere französische Verfilmung mit dem deutschen Titel „Es war einmal“ des Regisseurs Jean Cocteau von 1946. Diese übernimmt zwar einige Passagen fast wörtlich von Beaumont, geht aber mit der Handlung recht frei um, da zugunsten des Spannungsbogens manche Charaktere weggelassen, andere verändert und wiederum auch ganz neue hinzugefügt wurden. Besonders wichtig ist hier Avenant, der als Gegenspieler des Biests eingeführt wird, im Märchen dagegen überhaupt nicht vorkommt.
Das Hörspiel „Die Schöne und das Tier“ in der Bearbeitung vom WDR (2017) basiert auf eben dieser Verfilmung und übernimmt dabei nicht nur Charaktere wie etwa Avenant, sondern auch manche Szenen. Darunter zum Beispiel die „He da!-Szene“, in welcher der Vater der Schönen ins Schloss des Biests kommt und mit „He da!“-Rufen nach seinem (vorerst) unsichtbaren Gastgeber sucht.
Im Hörspiel wurde die Szene zum Glück deutlich gekürzt und „He da!“ durch ein zeitgemäßes „Hallo“ ersetzt. Die Adaption funktioniert gut, auch wenn die deutliche Kürzung im Vergleich zum Film dazu führt, dass zwar die Handlung des Märchens unverändert bleibt, die Figur von Avenant jedoch völlig unnötig erscheint. So geht ganz zum Schluss dadurch auch eine Information verloren, die zwar nicht wirklich von Belang ist, aber für kurze Verwirrung sorgen könnte. Denn im Film findet zuletzt ein Körpertausch statt: Avenant, der das Biest töten wollte, erhält das Aussehen des Biests und das Biest jenes von Avenant. Obwohl diese Erklärung in der Hörspielfassung weggelassen wird, nennt die Schöne das in einen Menschen verwandelte Biest am Ende Avenant.
Besetzt mit erfahrenen Schauspieler*innen und Hörbuchsprecher*innen ist das Hörspiel recht angenehm zu hören. Da wir uns gerade im Musik-Special befinden, noch ein Wort zur musikalischen Unterlegung mit klassischer Musik: Diese fügt sich zwar nicht unbedingt perfekt in die Handlung und die Stimmung ein, ist jedoch in ihrer Neutralität nicht störend. Soundeffekte sind mir abgesehen von einem halbwegs passablen Pfeilschuss-Geräusch und einer leicht bedrohlichen Untermalung der Auftritte des Biests nicht aufgefallen und sind auch nicht weiter notwendig. Insgesamt ergibt sich aus der Besetzung in Verbindung mit der Musik ein etwas klischeehaftes Gesamtbild, das allerdings zu einer „klassischen“ Märchenerzählung passt und so bei mir Erinnerungen an manche Hörkassetten meiner Kindheit weckte.
Die Schöne und das Tier. Jeanne-Marie Leprince de Beaumont. Bearbeitung durch: WDR. Gesprochen von: Hannelore Hoger, Nina Hoger, Otto Sander u.v.a. Der Hörverlag. 2017. Ab 6 Jahren. Ca. 34 Min.
0 Kommentare