Spiele sind für uns heutzutage mehr denn je mit visuellen Reizen verknüpft. Immer aufwändiger, immer großartiger in ihrer 3D-Welt werden die modernen Videospiele. Kaum vorstellbar, dass spielen auch allein über das Gehör möglich sein soll. Satzhüterin Pia gibt einen kleinen Einblick in das noch immer recht unbekannte Genre der Audio Games.
Musik spielt in Videospielen eine große Rolle – so viel wird über sie transportiert und verortet. In manchen Genres ist sie wichtiger (denken wir nur an Horror-Spiele, deren Angstmomente überwiegend durch Musik gesteuert werden oder Musik-Spiele wie „Guitar Hero“), in anderen spielt sie eine untergeordnete Rolle. Kaum irgendwo sind Musik und Klänge, vor allem aber jegliche Geräusche so elementar, wie in Audio Games.
Was ist ein Audio Game?
Der Name sagt eigentlich alles: Audio Games beschränken sich auf Audioelemente sowie Haptik (bei Handyspielen) und verzichten (weitgehend) auf die visuelle Darstellung. Über Geräusche, Stimmen und Musik werden Spielerinnen und Spieler durch das Geschehen geleitet. Dabei variiert es durchaus, wie konsequent auf die bildlichen Elemente verzichtet wird und ob das Spiel somit auch für sehbeeinträchtigte oder gar blinde Menschen geeignet ist. In akademischen Abhandlungen hieße es daher oftmals „audio only-based Games“ oder „audio-only Games“, schreibt Cäcilia Sauer in einem Beitrag auf ihrem und Thilo Körtings Blog schraeglesen. (Auf dem Literatur- und Videospielblog von den beiden finden sich auch einige Beiträge zu Cäcilias Forschung zu Audio Games – weiterführende Links findet ihr am Ende dieses Beitrags.)
Diese Definitionen grenzen dann jedoch die Spiele aus, die durch einen so geringen Einsatz von visuellen Mitteln ebenfalls von blinden Spielerinnen und Spielern gespielt werden können. Und davon gibt es viele: Spiele, die sich sowohl an sehende als auch sehbeeinträchtigte Menschen richten und somit so geringe visuelle Elemente verwendet, dass sie letztendlich barrierefrei funktionieren. Ein Beispiel hierfür ist eine Hörspiel-App namens „Blowback – Die Suche“. Das Spiel arbeitet nur sehr minimalistisch mit bildlichen Elementen: das Menü, einzelne Kapitelbilder sowie Pfeile, Fußspuren und ein Kompass. Vor allem aber helfen Geräusche dabei, die Protagonistin durch ein futuristisches Unterwasserhotel zu führen. Produziert wurde das Spiel ergänzend zum Hörspiel „Blowback – Der Auftrag“ – und zwar von Deutschlandradio Kultur.
Fokus auf auditiven Mitteln
Mit dem dezenten Zusammenspiel aus auditiven, aber auch grafischen Mitteln steht „Blowback“ nicht allein da – und darf sich dennoch Audio Game nennen. Eine der größten Online-Plattformen für Audio Games ist die Seite AudioGames.net. Hier heißt es, dass der Einsatz von grafischen Anteilen nicht untersagt ist, lediglich der Fokus auf den Sound gesetzt sein sollte:
„Audiogames, as opposed to video games are computer games who’s [sic!] main output is sound rather than graphics. Using sound, games can have dimensions of atmosphere, and possibilities for gameplay that don’t exist with visuals alone, as well as providing games far more accessible to people with all levels of sight.” (AudioGames.net, 2019)
Daneben gibt es natürlich auch Spiele, die sich konsequenter an den Namen „Audio Game“ halten und auf den Einsatz von Bildern komplett verzichten. So zum Beispiel „Breu“ (2018), ein Thriller, bei dem von E, wie Explosion bis V, wie Verfolgungsjagden das Geschehen nur in den Köpfen der Spielerinnen und Spieler stattfindet. Während viele Spiele heutzutage wie (interaktive) Blockbuster aussehen, kann man sich ein solches Audio Game wohl wie ein interaktives Hörspiel vorstellen.
Aufschwung in Sicht?
Genauso wie die grafischen Möglichkeiten immer umfangreicher werden, sind auch die auditiven Mittel heute weitaus größer, als noch zu Zeiten des Beginns der Audio Games in den 1980er Jahren (die damals rein textbasierten Computerspiele wurden per Text-to-Speech-Systeme vertont). Dennoch zeigt die Datenbank von AudioGames.net, dass trotz der Vielfältigkeit der Genres (prinzipiell sind alle „Klassiker“ des Computerspiels vertreten) die Anzahl der Titel insgesamt noch nicht sehr groß ist. Die Aufmerksamkeit bleibt wohl hauptsächlich deswegen noch auf der Strecke, weil bisher vorwiegend kleine Teams Titel in diesem Genre produzieren. Dennoch schaffen es einige Spiele zu etwas mehr Bekanntheit – wie zum Beispiel das 2013 erschienene Spiel „The Nightjar“, das dank berühmter Stimmen mehr Aufmerksamkeit bekam. Mit dabei waren nämlich auch die Schauspieler Benedict Cumberbatch und Sean Bean – oder vielmehr ihre Stimmen.
Das spannende Genre der Audio Games ist dabei sich zu entwickeln und wird sicherlich mit der Zeit noch mehr in den Fokus gerückt werden. Die Inklusion von sehbeeinträchtigte Spielerinnen und Spielern findet dabei vor allem im App-Bereich nahrhaften Boden. Das Smartphone besticht eben auch durch die Möglichkeit der Haptik, die bei Computer- oder Konsolenspielen nicht oder nur eingeschränkter eingesetzt werden kann. Aufregend ist es aber auch – und besonders – als sehender Mensch. Einen so elementaren Sinn wie das Sehen auszublenden und sich ganz auf das Gehör zu verlassen, bietet eben eine ganz besondere Herausforderung!
Zum Weiterstöbern:
- Cäcilia Sauer: Umgekehrte Inklusion, Grimme Game
- Cäcilia Sauer: Im Dunkeln zerfleischt – Audio Games
- AudioGames.net
- Swarts, J.: A look at Audio Games, Video Games for the blind, Inverse.com
- The Accessibility Foundation. No Pictures Please! Visually impaired gamers: where to go & what to play!
- Cäcilia Sauer und Thilo Körting: Videospielmusik, interaktives Hörspielprojekt und Audio Game-Forschung unter https://schraeglesen.de/hoer-spiel
[tds_note]Ein Beitrag zum Special #BKmusikalisch. Hier findet ihr alle Beiträge.[/tds_note]
Foto: Satzhüterin Pia
0 Kommentare