Mit „Hotel Alpha“ ist im Heyne Verlag ein kurzweiliger Roman erschienen, der zwischen dem Prunk und den schmutzigen Fassaden eines Luxushotels vermittelt. Der Spagat zwischen traditionell und modern gelingt Mark Watson auch mit dem Konzept des Buches, dass ein „normales“ Buch mit online veröffentlichten Stories ergänzt werden soll.
London: In den 60ern fasst der Exzentriker Howard York den Entschluss, das Hotel Alpha zu eröffnen und daraus nicht weniger als das renommierteste Hotel der Stadt zu machen. Von Anfang an ist der ruhige, altmodische Graham der Concierge des Hauses; und damit Howards bester Freund, Geheimnisträger und Gegenpol. Alles scheint glanzvoll zu laufen, und auch ein schwerer Brand in den Achtzigern wirft Howard nicht aus der Bahn. Er adoptiert den erblindeten Chas, für den das Alpha sein Zuhause wird – bis er durch die Möglichkeiten den neu aufkommenden Computer und später durch eine Frau einen Anschluss an die Außenwelt findet. Im Jahr 2005 angekommen, haben sich im Alpha zu viele Lügen angesammelt.
Die Geschichte ist vielschichtig, in einigen Details aber dennoch vorhersehbar und voller Klischees, was die Personenkonstellationen angeht. Dennoch schafft es die besondere Erzählstruktur, im Laufe des Romans zurückliegende Szenen in neuem Licht zu offenbaren und die hübsche Fassade des ersten Drittels herunterzureißen. Möglich wird das, weil sowohl Graham als auch Chas auf ihre Weise blind sind: Graham, weil er sich dem Fortschritt versperrt und Howards Geheimnisse für sich behalten muss, und Chas, dem nicht alles über seine Herkunft erzählt wird und der auf andere Menschen und Computer vertrauen muss, die ihm die Augen ersetzen.
Spannend umgesetzt wird der relativ große Zeitrahmen: Das Alpha ist oft in irgendeiner Form mit den großen Schlüsselereignissen der Vergangenheit verwoben. Dabei ist der Blickwinkel immer ein kleiner, der die Zusammenhänge nicht überschauen kann. Das bleibt den Lesenden überlassen.
Watsons Idee, den Roman mit 100 Short Stories zu ergänzen, ist innovativ, aber noch ausbaufähig. Die Stories werden durch die Augen von (neuen) Nebenfiguren erzählt und wirken etwas herausgerissen. Am Ende bleibt Hotel Alpha ein Roman, der trotz Ambitionen konventionell bleibt. Dass hinter der hochglänzenden Oberfläche des Hotels dunkle Geheimnisse schlummern, war zu erwarten, und auch, dass sich Chas und Graham im Laufe der Story emanzipieren müssen. Insgesamt ein unterhaltendes Buch für zwischendurch, das nur so lange nachhallt wie eine Hotelübernachtung.
Hotel Alpha, Mark Watson, Andrea Kunstmann (Übersetzerin), Heyne, 2015
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