„Phantasmen“, Kai Meyers Geschichte über eine Art Geisterinvasion, ist 2014 als Roman erschienen und nun von Comiczeichner Jurek Malottke als Graphic Novel adaptiert worden. Satzhüterin Pia kennt bereits Buch und Hörbuch und hat nun auch diese Umsetzung mit Begeisterung durchgeblättert.
Am sogenannten „Tag Null“ erscheinen plötzlich die Geister toter Menschen. Obwohl es stündlich mehr werden, gewöhnen die Menschen sich schnell an sie, denn die Geister stehen nur harmlos leuchtend herum. 18 Monate nach besagtem Tag Null erreichen Rain und ihre Schwester Emma die Absturzstelle des Flugzeugs, in dem vor inzwischen drei Jahren ihre Eltern den Tod fanden. Die Geister erscheinen, die Schwestern finden darunter ihre Eltern, doch dann beginnen die weißen Gestalten böse zu lächeln. Das ändert alles, denn ihr Lächeln ist tödlich, wenn man sich nicht schnell genug aus dem Radius bewegt. Sie lernen Tyler kennen, einen jungen Norweger, der an der Absturzstelle den Geist seiner Freundin Flavie sehen möchte, diese jedoch nicht findet. Sie reisen anfangs unfreiwillig zusammen weiter und geraten schnell in einen abstrusen Strudel aus wahnsinniger Forschung, Verschwörungen und auch Religion, während sie zu dritt versuchen, den Verbleib Flavies zu ermitteln und die Welt vor ihrem Ende zu bewahren.
Genre-Mischung
Es ist eine Mischung aus Horror, Science Fiction, Dystopie und Action, die Kai Meyer mit „Phantasmen“ geschaffen hat. Die Geschichte wird aus Sicht Rains erzählt und Leser:innen erfahren viel über sie, ihre eigenen Erlebnisse, Wünsche und Traumata. Besonders letztere beeinflussen ihr Leben und ihre Entscheidungen maßgeblich. Die drei Hauptfiguren haben eine interessante Dynamik: Rain, geprägt von ihrem Trauma und getrieben von ihrer Liebe zur Schwester, Emma, der nüchterne und vermutlich hochbegabte Teenager, und Tyler, der wortkarge Norweger, den das Schicksal seiner Freundin nicht loslässt. Die Beweggründe für ihr jeweiliges Handeln wirken seltsam stark von außen bestimmt, aber bei einem derartigen Endzeitszenario ist das wohl kaum verwunderlich.
Starke Bilder
Jurek Malottkes Stil ist ungewöhnlich, besonders und gelungen, denn er trifft – aus meiner Sicht – sehr genau den Ton von Meyers Geschichte. Die Zeichnungen zeigen nicht alle Details, sie fangen oftmals vielmehr Stimmungen ein. Dabei ist die Balance gut getroffen, sie zeigen genug, aber nicht zu viel. Inwieweit es mir hier zugutekommt, dass ich die Geschichte bereits kenne, kann ich nicht sagen. Möglicherweise findet nicht jede:r Leser:in sofort den Zugang zu den stark stilisierten und leicht „krakeligen“ Bildern Malottkes, aber ich bin tatsächlich sehr beeindruckt, wie gut sie zu meinen Vorstellungen der Geschichte, zu meinen eigenen Bildern passen. Die unterschiedlichen Panelgrößen, die Farben – überwiegend gedeckt, ab und an leuchtend mit zum Beispiel viel Rot, immer wieder die strahlend weiß-transparenten Geister – und die Mischung aus Bildern ohne Worte, wörtlicher Rede und Rains Bericht sind fesselnd und geben ein sehr stimmiges Gesamtbild ab.
In der wuchtigen Graphic Novel „Phantasmen“ fängt Jurek Malottke die besondere Geschichte Kai Meyers mit dem eigenen, ebenso besonderen Stil ausgesprochen stimmig ein.
Phantasmen. Kai Meyer. Jurek Malottke (Illustrationen). Splitter Verlag. 2022.
Fotos: Satzhüterin Pia
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