Der Liebende von Abschweifungen

von | 15.09.2015 | Belletristik, Buchpranger

Eine Nominierung für den Deutschen Buchpreis weckt gewisse Erwartungen: wundervolle Sprache, eine bewegende, grandios erzählte Handlung, gut vermittelte philosophische Erkenntnisse über Leben, Tod und allem, was dazwischen liegt. Vielleicht hat Zeilenschwimmerin Ronja das Falsche erwartet. „Die Liebenden von Mantua“ wird dem nämlich nicht gerecht.

Zwei Freunde, Manu und Raffa, treffen sich in Mantua wieder. Der eine will über das Verschwinden der Liebenden von Mantua, einem sich umarmenden Skelettpärchen aus der Jungsteinzeit, schreiben. Der andere möchte über die verbliebenden Schäden eines Erdbebens berichten. Kurz darauf wird Manu von einemgeheimnisvollen Grafen entführt, der mit den Liebenden von Mantua als Symbol eine neue Religion erschaffen will.

So spannend wie die Handlung klingt, liest es sich leider nicht. Kapitellang geschieht nichts. Die beiden Hauptfiguren treiben passiv in ihren eigenen Gedanken umher. Raffa, der sich um seinen Freund sorgt, besucht lieber Renaissance-Gebäude, als ihn zu suchen. Aber auch Manu selbst unternimmt keinen Fluchtversuch, sondern erkundet lieber nachts das Haus des Grafen. Die Handlung tritt in den Hintergrund. Stattdessen finden sich seitenlange Dialoge oder Monologe und verwirrende, philosophische Gedankengänge, die sich mit den geschichtlichen Informationen des Erzählers vermischen. Erst auf den letzten dreißig Seiten kommt etwas Spannung auf. Doch selbst die klingt so rasch wieder ab, dass es keinen Ausgleich für ihr voriges Fehlen bietet.

„Wie können Sie es wagen, die Liebenden von Mantua hier einzusperren? Was soll die schwülstige Inszenierung ihres schlichten gemeinsamen Ablebens?“ (S. 109)

Eine Rettung durch die Sprache erfolgt leider nicht. Ralph Dutli hat eine ausgefeilte Schreibe, die sich eigentlich auch angenehm lesen lässt. Doch es mischen sich auch einige Fachbegriffe und Wortneuschöpfungen wie „Streichelbrettchen“ für einen Tablet-Computer hinein. Diese wirken eher störend und letzteres vor allem auch etwas lächerlich. Die Bedachtheit und Langsamkeit seiner Sprache steht dabei auch im krassen Gegensatz zu der bei einer Entführungsgeschichte eigentlich erwarteten Spannung.

Auch die dritte Erwartung wurde nicht erfüllt. Obwohl philosophisch-geschichtliche Abschweifungen mehr als ausreichend zu finden sind, bleibt doch der Punkt „gut vermittelt“ auf der Strecke. Die Aussage dieses Romans wird nicht deutlich. Stattdessen bleiben Verwirrung und Unverständnis. Einen weiteren Störfaktor gibt es noch: fehlende Anführungszeichen. Wörtliche Rede, Gedanken und Erzählerstimme verfließen und sind nicht zu trennen. Gesprächen zwischen Figuren kann man schlecht folgen, weil sie nicht mal durch „er/sie sagte, fragte“ etc. kenntlich gemacht werden. Verständnisprobleme und mehrmaliges Lesen einer Seite, um diese zu beseitigen, sind da vorprogrammiert.

Wer also nicht unbedingt alle im Jahr 2015 nominierten Bücher gelesen haben will, kann sich auch nur mal kurz am eleganten Buchcover erfreuen und dann wortwörtlich „daneben greifen“.

Die Liebenden von Mantua. Ralph Dutli. Wallstein Verlag. 2015.

 

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1 Kommentar

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    Ich fand die meisten Wortspielerein missglückt, hab selten in einem Buch so viel unterschlängelt, gestöhnt und die Augen verdreht. Manchmal hab ich auch lachen müssen 😉

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