Der Western – glorreiche Schießereien, Helden, wilde Ritte auf noch wilderen Mustangs. Das alles ist „Forsaken“ nicht. Der Film hat sich einer anderen Herangehensweise verschrieben und beleuchtet das Genre von einem anderen Blickwinkel. Bücherbändigerin Elisabeth hat sich „Forsaken“ zu Gemüte geführt und beschreibt, was an diesem Western so gar nicht „Western“ ist.
Die Geschichte von Vater und Sohn
John Henry zog vor Jahren los, um sich im Krieg Rang und Namen zu verdienen. Nun kehrt er wieder in seine Heimatstadt, begleitet von seinem erkämpften Ruf eines Revolverhelden, den er sich in den Kriegswirren erarbeitet hat. Doch ein Held ist er mitnichten. Die Beziehung zu seinem Vater ist erkaltet und schließlich erstarrt, die Stadt und deren Einwohner haben sich verändert. Er versucht nun, seine Vergangenheit gerade zu rücken. Jedoch beherrscht eine gewalttätige Bande die Stadt, die es auch auf seinen Vater abgesehen hat. Mit dem Frieden ist es nun vorbei, es sei denn, John bemüht sich, diesen auf eigene Faust wieder herzustellen.
In „Forsaken“ treffen nicht nur im Film, sondern auch real Vater und Sohn aufeinander. Donald und Kiefer Sutherland spielen einen Vater, der sich als Priester dem Frieden verschrieben hat und einen Sohn, der, um seine Schuld aus Kindertagen zu vergessen, in den Kriegsdienst zieht. Der Vater hofft und bangt, gibt seinen Sohn irgendwann aber auf. Als dieser wiederkommt, ist das Chaos groß, denn beide müssen erst wieder zueinander finden, während der Sohn John auch mit seiner eigenen Schuld leben muss, die er nicht nur im Krieg auf sich geladen hat. Während er um Vergebung beim Vater sucht, holt ihn seine Vergangenheit auch in der Stadt ein, in der er Ruhe zu finden hoffte.
Tausche Action gegen Stimmung
Geprägt wird der Film von ausführlichen, ruhigen Szenen, welche das Bild einer vermeintlichen Idylle vorgaukeln. Geschehnisse aus der Vergangenheit wollen gerade gebogen werden. Durch ehrliche Arbeit und den Rückzug auf das ländlich gelegene Grundstück will sich John selbst rehabilitieren. Die zunächst unterkühlten Dialoge zwischen Vater und Sohn entschärfen sich schnell und beschreiben die Wandlung der Charaktere auf komprimierte Art und Weise, ohne zu tiefgründig zu werden. Die Entwicklung im zwischenmenschlichen Bereich wird rasch vorangetrieben, während das Erzähltempo in der eigentlichen Handlung weitgehend ohne große Actionszenen auskommt, bis es zum großen Showdown kommt.
Die Handlung ist als solche nicht neu. Eine gefährliche Bande macht die Gegend unsicher, niemand scheint ihr Herr werden zu können. Ein Held steht auf, der anfänglich noch keiner ist, und bezwingt die Unruhestifter schlussendlich unter Aufopferung seines Lebens. Und weil er ein einsamer Held ist, und obwohl er ein Mädchen gefunden hat, das ihn anhimmeln würde, reitet er in den Sonnenuntergang und ward nie wieder gesehen. Diese Handlungsschiene war nicht nur bei Lucky Luke und den meisten Italo- oder US-Western bekannt und beliebt, sondern greift als Grundgerüst auch bei „modernen“ Filmen.
Tatsächlich wird bei „Forsaken“ die actionreiche Gangart eines typischen Westerns in den Hintergrund gedrängt und weicht dafür einer weitaus ruhigeren und entschleunigten Handlung. Der Vordergrund wird erst vom Disput zwischen Vater und Sohn und schließlich auch vom Kampf des Wiederkehrers John mit sich selbst besetzt, als dieser bemerkt, dass sich viele Dinge geändert haben – nur nicht die, die er vergessen wollte. So wird seine Herzensdame (gespielt von Demi Moore) unerreichbar für ihn. John will das Leben als Kriegsheld vergessen und geht Angriffen aus dem Weg oder steckt sie ein. Erst als es keinen anderen Ausweg mehr gibt, greift er zur Waffe und löst die Situation mit Gewalt. Diese wenigen Szenen machen den typischen klischeehaften Western-Anteil aus und sind eher rar gesät.
Western oder Nicht-Western – Das ist hier die Frage
Die Bezeichnung „Western“ wird dem Film nur insofern gerecht, als dass sein zeitliches Setting stimmig ist, sowie die Gesetzbarkeit der damaligen Zeit. Das Recht des Revolvers wird noch immer groß geschrieben, gesetzeswidrig oder nicht. Doch von wilden Ritten, actionreichen Schießereien und heldenhaften Sprüchen ist in „Forsaken“ wenig zu finden. Stattdessen fischt der Film ausgiebig in dramatischen, emotionalen Ufern, setzt den Blick mehr auf die Menschlichkeit der Protagonisten und weniger auf deren Heldentum. Westernhelden der alten Schule sind hart und unbeugsam, in „Forsaken“ steht die Menschlichkeit und die dazugehörige Fehlbarkeit im Fokus. Im krassen Gegensatz dazu sind die wenigen Schießereien, vor allem auch der große Showdown, sehr explizit dargestellt. Somit wird nichts an der Gewalt und Brutalität geschönt, das Heldentum wird beinahe demontiert.
„Forsaken“ ist kein typischer Western, wie man ihn aus den Genrebeschreibungen kennt. Deswegen könnten echte Western-Fans von der sehr ruhigen und dialogreichen Gangart enttäuscht sein, die mit Worten mehr kitten möchte als mit Waffen. Doch abgesehen davon, dass das eben genannte Thema des Films in der heutigen Zeit ein Zeichen setzt, das diese sehr gut gebrauchen kann, besticht der Film durch seine etwas andere Herangehensweise an dieses Genre. Mehr Drama, mehr Emotionalität, mehr Menschlichkeit inklusive der Fehler und der Schuld, die jeder auf verschiedenste Weise auf sich lädt. Film-Fans, die eine solche Herangehensweise schätzen, können diesen Film genießen, ohne dabei Gefahr zu laufen, in Kitsch und Klischee manch anderer großer Herz-Schmerz-Dramen unterzugehen.
Fazit
„Forsaken“ ist kein Film für den eingefleischten Action-Fan und auch nicht für den, der sich gern in seinen eigenen Tränen schwimmen sieht. Doch ein solider, gefühlsbetonter Film mit einem ansehnlichen Star-Aufgebot, einer markanten bildhaften Ausdrucksweise und vielen bezeichnenden Szenen ist er allemal.
Forsaken. Regie: John Cassar. Drehbuch: Brad Mirman. Darsteller u.a.: Kiefer Sutherland, Donald Sutherland, Demi Moore. Universal Pictures. USA, Kanada, Frankreich 2015. FSK 16. Erscheinungstermin: 21.07.2016.
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