„Der wundersame Weg“: Unterwegs im Wald

von | 04.02.2022 | Bilderbücher, Buchpranger

Ein Weg durch den Wald: Hier leben ein Fuchs, eine Hirschfamilie, fabelhafte Baumwesen und Waldmistkäfer. Wie unterschiedlich Kinder den Weg erleben, erzählt Reif Larsen im Bilderbuch „Der wundersame Weg“. Worteweberin Annika hat sich zwischen den Baumwesen versteckt.

Der amerikanische Autor Reif Larsen wurde mit seinem Debütroman „Die Karte meiner Träume“ schlagartig berühmt. Das Buch wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und von Jean-Pierre Jeunet verfilmt. Auf den Erfolg erschien ein weiterer Roman – und jetzt ein Bilderbuch. Nachdem mich „Die Karte meiner Träume“ vor einigen Jahren sehr verzaubert hatte, war ich neugierig auf „Der wundersame Weg“, illustriert von Marine Schneider.

Reif Larsen erzählt die Geschichte eines Waldwegs und dreier Kinder, die hier die Natur entdecken: Luka findet in der Natur außerirdische Baumwesen, die Tontos: „Sie leben in Bäumen mit Augen. Sie sind die Wächter des Waldes.“ Clara hingegen beobachtet Käfer, erkundet Fußspuren mit der Lupe, sucht Blumenpollen und erforscht Wassertropfen. Die beiden lernen sich kennen und versuchen, mehr über einen verletzten Fuchs herauszufinden. Levi geht mit seinem Hund Moo auf dem Weg spazieren. Durch seine Kopfhörer bekommt er nur wenig von der Umgebung mit, an den anderen beiden Kindern rauscht er vorbei. Erst als er die Kopfhörer verliert, taucht auch er in die Welt des Waldes ein.

Wer lernt hier von wem?

Ehrlichgesagt hatte ich auf Grund des Klappentextes erwartet, dass es stärker um die verschiedenen Fähigkeiten und Sichtweisen der Kinder gehen würde. „Doch erst als sie sich begegnen, lernen sie nicht nur den Weg, sondern auch die Welt mit ganz anderen Augen zu sehen“, heißt es da. Dennoch ist es vor allem der Austausch zwischen Clara und Luka, der beschrieben wird. Claras naturwissenschaftliche Herangehensweise steht schon deshalb im Fokus, weil sie damit das letzte Wort im Bilderbuch hat, aber auch Luka darf ihr die Welt der außerirdischen Tontos erklären. Man kann das Buch so lesen, dass Clara von Luka den fantasievollen Blick auf den Wald übernimmt.

Am wenigsten erfahren wir über Levis Perspektive, weil er erst auf der letzten Seite mit den anderen Kindern in Kontakt kommt. Ob sich sein Denken durch die Begegnung verändert oder er den beiden anderen etwas beibringen kann, wird nicht thematisiert. Dadurch wirkt die Geschichte auf mich nicht ganz rund und ausgewogen.

Bunte Bilder, ruhige Sätze

Reif Larsen erzählt in einfachen Hauptsätzen, die Satzstellung variiert er eher selten. Das bringt Ruhe in den Text und passt zur dargestellten Waldatmosphäre:

„In der Nacht kommt der Rotfuchs, Vulpes vulpes, zurück. Er erschnüffelt die Geschichten des Tages. Er humpelt auf der Suche nach Abendessen ins Gebüsch.“

Die Illustratorin von Marine Schneider, die im Kleine Gestalten Verlag schon die Bilderbücher „Das Leben und ich“ und „Ein Leben mit dir“ illustriert hat, zeichnet eine atmosphärische Wald-Welt. Die flächigen Bilder sind sehr ästhetisch. Was mir besonders gefällt, ist aber, dass die Figuren darin klischeefrei und divers dargestellt sind. Clara und Levi sind People of Color. In den Figuren können sich viele Kinder wiederfinden.

„Der wundersame Weg“ ist ein stimmungsvolles und ästhetisches Bilderbuch für Waldfreund*innen. Auch wenn mich die Geschichte nicht ganz überzeugt hat, nehme ich das Buch gerne zur Hand. Obwohl der Verlag das Buch ab 3 Jahren empfiehlt, würde ich es eher mit älteren Kindern ab 5 Jahren lesen, da die Geschichte und insbesondere die Auflösung nicht ganz einfach zu verstehen sind.

Der wundersame Weg. Reif Larsen. Aus dem Englischen von Franz Hempel. Illustration: Marine Schneider. Kleine Gestalten. 2021. BK-Altersempfehlung: Ab 5 Jahren.

Annika Depping

Annika Depping

Als Chefredakteurin versucht Annika in der Bücherstadt den Überblick zu behalten, was mit der Nase zwischen zwei Buchdeckeln, zwei Kindern um die Füße und dem wuchernden Grün des Kleingartens im Nacken nicht immer einfach ist. Außerhalb der Bücherstadt ist Annika am Literaturhaus Bremen mit verschiedenen Projekten ebenfalls in der Welt der Geschichten unterwegs.

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