Bei uns in der Bücherstadt geht es einige Wochen lang nur um Philosophie. Ein spannendes Thema, für das sich unsere Kooperationspartner, die Feuilletöne, gleich ein ganzes Jahr Zeit genommen haben: 2017 war bei ihnen das Philosophie-Jahr angesagt. Worteweberin Annika hat mal nachgehorcht, welche Erfahrungen Herr Martinsen und Frau Windhorst gemacht haben.
WA: Wie seid ihr eigentlich darauf gekommen, ein ganzes Jahr der Philosophie zu widmen?
Herr Martinsen: Ich glaube, wir unterhielten uns über Philosophien. Über Existentialismus und Stoizismus. Da dachten wir, wir könnten ja mal eine Reihe in der Sendung darüber machen.
Frau Windhorst: So ist es. Ich hatte erst kürzlich die Philosophie entdeckt und wir stellten fest, dass es in diesem Bereich noch sehr viel zu lesen gibt, das wir sowohl selbst kennen lernen als auch unseren Hörer/innen näher bringen wollen.
WA: Hattet ihr vorher schon etwas mit Philosophie am Hut?
Frau Windhorst: Ich leider nicht. Philosophie klang zwar nie unspannend, aber irgendwie auch eher nach Elfenbeinturm und hochtrabenden Akademikern. Dass Philosophie uns jede Menge Antworten und Lösungsansätze zu den Problemen des alltäglichen Lebens liefern kann (und, vielleicht noch wichtiger, jede Menge neue Fragen über das Leben und die Welt), habe ich erst viel zu spät verstanden. Das geschah vor allem dank der modernen Stoiker, die mir einst in den Twitterfeed spülten, und dank Einrichtungen wie der School of Life, die sich eben genau der erneuten Betonung dieser anwendbaren Seite der Philosophie widmen.
Herr Martinsen: Jein. Es hat auch bei mir ein bisschen gedauert. Ein bisschen länger bin ich aber schon dabei. Angefangen hat bei mir alles mit Arthur Schopenhauer. Ohne ihn wäre ich sicher nicht so leicht zur Philosophie gekommen, weil er recht einfach zu lesen ist. Ich bin seit langer Zeit Anhänger des Existentialismus.
WA: Und wie habt ihr die Texte ausgewählt, die ihr in diesem Jahr gelesen habt?
Herr Martinsen: Zunächst haben wir unsere Lieblinge ausgewählt und die, die da so dranhängen.
Frau Windhorst: Genau, das entsteht bei uns immer irgendwie fließend und nebenbei. Wir schlagen vor, was uns am Herzen liegt oder ins Sichtfeld fliegt und ordnen es dann in den Sendeplan – oder Ablage P (für sPäter).
WA: Gab es Texte, die euch richtig viel abverlangt haben?
Frau Windhorst: Heidegger, definitiv Heidegger. Schwer zu lesen. Darüber hinaus haben so ziemlich alle Philosoph/innen mir bisher viel Denk- und Anwendungsarbeit abverlangt, die noch lange über die jeweilige Sendung hinaus wirken wird.
Herr Martinsen: Ja, Martin Heidegger, der war anstrengend. Jean-Paul Sartre auch.
WA: Und auf der anderen Seite: Was waren eure Highlights? Habt ihr Empfehlungen?
Frau Windhorst: Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, Sartre, Camus und De Beauvoir näher kennen zu lernen. Auch wenn ich selbst nicht mehr zum Existenzialisten werde, so sind doch einige zentral wichtige Einsichten der modernen Welt in der Nähe dieser drei klugen Menschen zu finden. Zu lesen kann ich immer nur die römischen Stoiker empfehlen (in modernen und lesbaren Übersetzungen!), besonders die sehr praktisch orientierten Briefe von Seneca.
Herr Martinsen: Als Existentialist sind meine Lieblinge Albert Camus, Søren Kierkegaard, Karl Jaspers und Hannah Arendt, obwohl letztere sich mal mehr und mal weniger gar nicht als Philosophin sah. „Einfach“ sind Schopenhauer und Camus.
BK: Habt ihr das Gefühl, ihr habt aus der Beschäftigung mit den Texten etwas mitgenommen? Seid ihr jetzt vielleicht weiser? Oder nachdenklicher?
Herr Martinsen: Ich entdecke immer neue Perspektiven oder Sichtweisen, die ich vorher noch nicht kannte. Und man lernt natürlich unfassbar viel dazu.
Frau Windhorst: Da kann ich mich nur anschließen. Wir lernen laufend dazu – im Umfeld der Philosophie vor allem Sicht- und Denkweisen, Ansatzpunkte, neue Horizonte.
BK: Wie sieht es nun aus, das Jahr ist rum, vermisst ihr die Philosophen schon? Und was sind eure Pläne für dieses Jahr?
Frau Windhorst: Wir machen weiter! Nun aber etwas weniger spontan, sondern strukturierter. Ich freue mich sehr darauf.
Herr Martinsen: Genau! Wie im letzten Jahr angekündigt, werden wir weitermachen, ab jetzt aber chronologischer.
Ein Beitrag zum Special #philosophiestadt. Hier findet ihr alle Beiträge. Ein weiteres Interview mit den Feuilletönen findet ihr in der 17. Ausgabe.
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