Die Geschichte einer Straße

von | 23.02.2022 | Bilderbücher, Buchpranger, Specials, Wimmelbuchwoche

Als Fabelforscher Christian zum ersten Mal mit „Die Geschichte einer Straße“ in Kontakt kam, lag er zugegebenermaßen schon ein wenig über der Altersempfehlung von sechs Jahren. Fasziniert hat ihn das Buch trotzdem.

In meiner Studienzeit traf ich eines Tages meinen Mitbewohner Karl-Heinz (Name von der Redaktion geändert) in der Küche, der am Tisch saß und in einem Buch blätterte, das er als Kind sehr gemocht hatte. Es war eine Art Wimmelbuch mit dem Titel „Die Geschichte einer Straße“ und mir bis dahin gänzlich unbekannt. Während ich mir einen Kaffee kochte, ließ ich meinen Blick über die Seiten schweifen und begann lustige Details zu entdecken. Da ich gerade nichts Besseres zu tun hatte (Student müsste man nochmal sein), setzte ich mich dazu und wir blätterten gemeinsam durch die Zeitalter. Drei Stunden und mehrere Tassen Kaffee später musste ich mich dann doch loseisen und zur Uni fahren, um wenigstens den Anschein eines vorbildlichen Studenten aufrecht zu erhalten. Studiert habe ich an dem Tag trotzdem wenig, das Buch hat mich einfach nicht mehr losgelassen.

Was gibt es zu sehen?

Auf den einzelnen Doppelseiten ist jeweils der gleiche Bildausschnitt mit einem kleinen Fluss im Vordergrund und – zu Anfang – Wäldern, Wiesen und Hügeln im Hintergrund abgebildet. Dazwischen ist die titelgebende Straße zu sehen. Mit jeder Seite reisen die Betrachter:innen ein Stück in der Zeit voran, von der Steinzeit über die Zeit der Römer, das Mittelalter, die Renaissance bis in die Gegenwart und sogar darüber hinaus. Auf den ersten Seiten ist die Straße kaum mehr als eine kleine Gruppe von Zelten oder Strohhütten, doch mit jedem Umblättern kommen neue Gebäude hinzu und bereits Bestehendes wird modernisiert oder erneuert. So wird aus dem eisenzeitlichen Heiligen Hain in der Römerzeit ein Tempel zu Ehren Jupiters, der in der Zeit der Völkerwanderung zur Ruine verkommt und an dessen Stelle schließlich eine Kirche gebaut wird.

In den einzelnen Zeitaltern gibt es Vieles zu entdecken und manche der dargestellten Ereignisse nehmen Bezug auf Bilder früherer Epochen. So kann man zum Beispiel in der Zeit der Wikingerüberfälle beobachten, wie jemand sein Hab und Gut vergräbt, das dann ein paar Jahrhunderte später im Keller eines Kaffeehauses wieder ausgegraben wird. Was auch meinem Mitbewohner unbekannt war – offensichtlich hat er immer nur die Bilder angeschaut und sich nie den Einleitungstext durchgelesen: In jedem Zeitalter kann man Tim Tempus, einen Zeitreisenden, entdecken, der die Geschichte der Straße erforscht.

Was ist neu?

Die Neuausgabe wurde um eine Doppelseite mit einer Straße der Zukunft erweitert und auch die Straße heute wurde liebevoll aus den Neunzigern ins Jahr 2020 versetzt, mit aktuelleren Autos, Windkraft anstatt Kohle, Mülltrennung, Flachbildschirmen und vielem mehr. Kurze Hinweise zum Geschehen waren in der älteren Ausgabe noch rings um die Illustration angeordnet. In der Neuausgabe wurden sie am unteren Seitenrand gesammelt, wobei Zahlen im Bild verdeutlichen, was zueinander gehört. Insgesamt werden die einzelnen Seiten dadurch visuell ruhiger und übersichtlicher und der jetzt rahmenlose Look wirkt frischer und moderner. Auch die Farben sind in der neuen Ausgabe kräftiger und kontrastreicher.

Ich freue mich schon darauf, wenn unser Sohn alt genug ist, mit ihm stundenlang durch „Die Geschichte einer Straße“ zu blättern und mir von ihm neue Details zeigen zu lassen, die ich selbst noch nicht entdeckt habe.

Die Geschichte einer Straße. Eine Reise durch die Jahrtausende. Illustrationen Steve Noon. Übersetzung Bernd Kockerols, Suzanne Patzelt, Anke Wellner-Kempf. DK. 2021.

[tds_note]Ein Beitrag zur Wimmelbuchwoche. Hier findet ihr alle Beiträge.[/tds_note]

Christian Hohe

Christian Hohe

Christian ist als Ressortleiter des Filmtheaters in der Bücherstadt am liebsten im Kino zu finden. In der richtigen Welt erforscht er keine Fabeln, sondern die Meere.

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