Lydia Meyers Buch „Die Zukunft ist nicht binär“ beschäftigt sich mit der Zweigeschlechtlichkeit unserer Gesellschaft und zeigt auf, warum dieses System aufgebrochen und neu gedacht werden muss. Ein lesenswerter Text, in dem sich Meyer in dem einen oder anderen Nebenthema verheddert. – von Satzhüterin Pia
Lydia Meyer ist non-binary und als Autor*in, Redakteur*in sowie Konzepter*in von beispielsweise funk-Formaten wie „Auf Klo“ tätig – eine Fachperson auf vielen Ebenen, wenn es ums Gendern geht oder auch um gesellschaftliche Normen und Zwänge hinsichtlich Geschlechtsidentität.
Themenvielfalt
In „Die Zukunft ist nicht binär“ geht Meyer auf viele verschiedene Themen ein. Das Buch beginnt bei den Grundlagen („Mehr als Genitalien: Was ist Geschlecht?“) und arbeitet sich über Biologie und Geschlechtergerechtigkeit hin zu Scheinargumenten wie dem des „Kinderschutzes“ voran. Es geht um „Popkultur und Repräsentation“, „Cancel Culture“ und Sprache, aber auch um einen geschichtlichen Rückblick, denn „Mehrgeschlechterordnungen sind nichts Neues“. Im letzten Kapitel kommt Meyer schließlich auf die titelgebende nicht binäre Zukunft zu sprechen.
„Unsere Sprache zwingt uns ständig, uns zur Zweigeschlechternorm zu verhalten. Für viele nicht-binäre Menschen ist Sprache immer ein Krampf, und ich glaube, den wenigsten Menschen ist bewusst, wie anstrengend die deutsche Sprache für nicht-binäre Personen tatsächlich ist. Wir existieren sprachlich nämlich gar nicht, und wenn wir uns eine sprachliche Existenz erarbeiten wollen, müssen wir ständig auffallen, andere korrigieren und immer wieder darauf hinweisen, dass wir nicht männlich oder weiblich, sondern nicht-binär sind.“ (S. 142)
Beispiele, Zitate aus der Forschung oder von Betroffenen sowie persönliche Erzählungen von Meyer selbst lockern den gut verständlichen und leicht lesbaren Text zusätzlich auf und treten dem erst einmal wissenschaftlich anmutenden Charakter des Buches entgegen. Die schlechte Datenlage zu non-binary Personen und genereller Genderforschung, also zum sozialen Geschlecht, insbesondere in Deutschland lassen eine rein wissenschaftliche Abhandlung auch kaum zu. Dennoch zieht Meyer die Daten heran, die es gibt, und belegt damit auch die persönlicheren Abschnitte.
Stärken und Schwächen
Insgesamt gibt das Buch, dessen Titel eine Zukunftsvision von einem Aufbrechen der Zweigeschlechterordnung verspricht, trans Personen inhaltlich viel Raum. Non Binarität und Transgender haben aber nicht zwingend etwas miteinander zu tun, so dass die Verteilung hier etwas unausgeglichen ist. Die Lesenden erhalten am Ende nicht unbedingt das, was der Titel verspricht, denn auch die angedeutete Perspektive einer nicht binären Zukunft fehlt in Meyers Buch am Ende.
„Die Zukunft ist nicht binär“ beinhaltet jedoch viele Informationen, die Hintergrundwissen erweitern, das eigene Verhalten hinterfragen lassen und generell zum Nachdenken anregen. Das Buch mag nicht vollends die nicht-binäre Zukunft zeichnen, die man vorab beim Lesen erwartet, aber dennoch wünsche ich Lydia Meyer sehr viele interessierte Lesende, die inhaltlich sicherlich sehr viel mitnehmen werden.
Die Zukunft ist nicht binär. Lydia Meyer. Rowohlt. 2023.
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