Ein Abenteuerbuch und Augenschmaus

von | 10.01.2016 | Belletristik, Buchpranger

Ein Blick und es war um mich geschehen. Oder um mein Geld. Je nachdem. Vielleicht auch beides. Aber was hätte ich verpasst, wenn ich mir nicht nachgegeben hätte! – Zeilenschwimmerin Ronja ist mehr als nur glücklich über ihren Bücherfund.

Als die Studentin Jen in der Bibliothek das Buch „Das Schiff des Theseus“ findet und es für den Besitzer an seinen Platz zurücklegt, scheint daran nichts Ungewöhnliches zu sein. Aus reinem Interesse beginnt sie die Randnotizen von Eric, dem Besitzer, zu lesen und fügt ihre eigenen Gedanken hinzu. Nach und nach entsteht über die Notizen ein reger Austausch. Gemeinsam versuchen Eric und Jen herauszufinden, wer der mysteriöse Autor V. M. Straka war. Sie merken schnell, dass irgendjemand versucht, sie daran zu hindern. Doch das ist nicht das einzige Problem, das ihre Freundschaft auf die Probe stellt: Auch Eric und Jen haben ihre Geheimnisse.

Es gibt Bücher, die von außen etwas her machen, inhaltlich aber eher in die hintere Regalreihe gehören. Ebenso existieren Werke, bei denen es genau anders herum ist. Und dann sind da natürlich jene, wo beides für die Katz ist. Einige wenige Bücher jedoch sehen nicht nur schmuck aus, sie machen auch Freude beim Lesen. „S. – Das Schiff des Theseus“ gehört zur letzteren Gruppe.

Der Preis des Buches mag einige abschrecken, aber ich möchte hier aufzählen, warum sich ein Kauf dennoch lohnt, denn es ist schon lange her, dass ich ein so aufwendig gestaltetes Buch in den Händen gehalten habe.

Das Schiff des Theseus1.) Rein äußerlich, mit Schuber und Siegel erweckt es gleich den Eindruck, dass es hier wirklich um ein Geheimnis geht.

2.) Das Buch. Ja, das Buch. Es ist neu und doch alt, es ist ein Buch aus unserer Welt und doch stammt es aus der erzählten Welt. Aufgemacht wie ein Bibliotheksbuch, etwas dreckig, mit vergilbten Seiten und Bibliotheksstempeln darin, hält man nicht das Buch von J. J. Abrams und Doug Dorst in den Händen, sondern das Werk des Autors V. M. Straka, eine Ausgabe von 1949, in der Jen und Eric ihre zahlreichen Kommentare hinterlassen haben.

3.) Das Zusatzmaterial. Zwischen den Seiten liegen Briefe, Postkarten, Zeitungsartikel und andere Beigaben, die Jen und Eric während ihrer Forschungen zusammengetragen haben.

Auf den mehr als 500 Seiten finden sich eigentlich gleich zwei Geschichten. Zum einen „Das Schiff des Theseus“, das letzte Werk von V. M. Straka, und die Geschichte von Jen und Eric, die sich in mehreren Zeitebenen in den Randnotizen und dem Zusatzmaterial entspinnt. Das macht das Buch natürlich etwas schwerer zu lesen, weil man gleich zwischen mehreren Ebenen hin und her springt. Wie das ganze lesen? Zuerst den Grundtext einmal komplett lesen und dann die Kommentare, oder kapitel- vielleicht sogar seiten- oder abschnittsweise vorgehen? Es gibt keine ideale Lesetechnik für solch ein Buch.

Bemerkenswert ist allerdings, dass, obwohl zwei Geschichten und mehrere Zeitebenen zu verarbeiten sind, es dennoch verständlich bleibt. Sicher, an einem Abend ist das Buch nicht zu lesen, für „S. – Das Schiff des Theseus“ braucht man schon etwas mehr Zeit. Aber hinter dem scheinbaren Chaos steckt genug Ordnung, um folgen zu können (z.B. die unterschiedlichen Schriftfarben in den Notizen, welche zum einen Jen und Eric und zum anderen die Zeitebenen voneinander absetzen). Dazu lassen sich sowohl der Grundtext als auch die Randnotizen wunderbar lesen, obwohl (oder vielleicht auch gerade weil) sie sich im Stil so sehr unterscheiden. Auch Jen und Eric sind in ihren Kommentaren immer gut voneinander zu trennen, nicht nur durch die verschiedenen Handschriften.

„S. – Das Schiff des Theseus“ ist eine Lese-Herausforderung, ein Abenteuerbuch für Bücherfreunde und ein Augenschmaus im Regal zugleich.

S. – Das Schiff des Theseus. J. J. Abrams & Doug Dorst. Übersetzung: Tobias Schnettler & Bert Schröder. Kiepenheuer & Witsch. 2015.

 

Bücherstadt Magazin

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

3 Kommentare

  1. Avatar

    Es ist mehr als grandios und ich habe heute dazu meine Gefühle „Strakanische Theseus Lesegefühle“ veröffentlicht und stelle einfach mal den Link her – vielleicht habt ihr Lust euch auf die Gefühlsebene zu begeben und vielleicht ist diese Ebene der letzte Knacks zum Buchkauf.

    Es ist grandios – ich wage es zu behaupten.

    http://literatwo.de/strakanische-theseus-lesegefuehle/

    Liebe Grüße – Bini

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    • Avatar

      Deine Lesegefühle zu diesem Buch kann ich sehr gut verstehen! Ich bin noch immer versucht, mir eine Bibliothek zu suchen und ein Buch mit Kommentaren zu hinterlassen, in der Hoffnung, dass jemand antwortet. 😉

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  2. Avatar

    Ich glaube, ich muss auch endlich mal auf dieses Buch sparen… ich bekomme immer ein wenig Herzflatttern, wenn ich es in der Buchhandlung liegen sehe…

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