Können Bilderbücher ernste Themen so behandeln, dass auch die ganz Kleinen sie schon verstehen, ohne Albträume davon zu bekommen? Pei-Yo Chang ist dies in ihrem Kinderbuch-Debüt „Der geheimnisvolle Koffer des Herrn Benjamin“ gelungen. – Von Zeilenschwimmerin Ronja
Herr Benjamin hat viele kluge Ideen. Allerdings gefallen diese den mächtigen Leuten in seinem Land nicht mehr. Mit Hilfe von Frau Fittko will er ins Nachbarland fliehen. Der Weg bis zur Grenze ist lang und anstrengend, dennoch trägt Herr Benjamin einen schweren Koffer mit sich und verrät niemandem, was diesen so wichtig macht …
Es ist sind schwere Themen, die in „Der geheimnisvolle Koffer des Herrn Benjamin“ behandelt werden: Verfolgung, Flucht und Nationalsozialismus. Insbesondere für eine so junge Leserschaft. Doch Pei-Yu Chang gelingt es, den Schrecken, die Gefahr und Anstrengung in Wort und Bild auf ein für Kinder verständliches und vor allem erträgliches Niveau zu bringen.
Besonders gelungen ist in diesem Zusammenhang die farbliche Gestaltung der Illustrationen. Durch diese werden Stimmungen übertragen, die der Text allein auf Grund seiner Kürze nicht vermitteln kann. Der collagenhafte Stil der Illustrationen tut dabei sein Übriges. Unterschiedliche Papiermaterialen, kombiniert mit erwachsenen und kindlichen Zeichnungen ergeben ein buntes Miteinander, in dem sowohl Kinder als auch Erwachsene einiges entdecken können. Auch der Text ist Teil der Collage. Mal steht er für sich, mal passt sich die Schrift dem Bild an. Wichtige Wörter werden oft größer geschrieben und wenn es über Berg und Tal geht, muss auch die Schrift Höhen und Tiefen überwinden.
„Es ist noch gar nicht so lange her, da lebte in einer großen Stadt ein außergewöhnlicher Mann namens Herr Benjamin. Er war ein Philosoph und hatte brillante Ideen aller Art. Eines Tages aber entschied das Land, in dem er lebte, dass außergewöhnliche Ideen sehr, sehr gefährlich seien.“ (S. 6)
„Der geheimnisvolle Koffer des Herrn Benjamin“ ist nicht nur Pei-Yu Changs erstes Kinderbuch, sondern zugleich ihre Abschlussarbeit im Studium der Illustration. Dass sie damit bestanden hat, steht für mich außer Frage. Nicht nur zeigt dieses Buch einen Weg, schon kleine Kinder an Themen heranzuführen, die erst einmal zu erschreckend erscheinen. Es erzählt gleichzeitig auch eine wahre Geschichte. Der Philosoph Walter Benjamin musste wirklich vor den Nazis fliehen. Und auf dieser Flucht trug er tatsächlich einen Koffer bei sich, dessen Inhalt bis heute niemand kennt. Es ist ein Rätsel der Weltgeschichte, das nun künstlerisch aufbereitet wurde. Und Herr Benjamins Geschichte ist dabei nicht nur für kleine Zuhörer*innen, sondern auch für größere Vorleser*innen interessant.
Der geheimnisvolle Koffer des Herrn Benjamin. Pei-Yu Chang. NordSüd Verlag. 2017. Ab 4 Jahren.
Ein Beitrag zum Special #philosophiestadt. Hier findet ihr alle Beiträge.
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