Quantic Dreams landete mit „Heavy Rain“ 2010 einen Hit. Drei Jahre später folgte der nächste interaktive Film: „Beyond: two souls“. Satzhüterin Pia und Wortspieler Nico schlüpften in die Rollen von Jodie und Aiden und trafen gemeinsam Entscheidungen.
Jodie Holmes (Ellen Page) ist kein normales Mädchen. Aiden, ein übersinnliches Wesen, ist eng mit ihr verknüpft und begleitet sie bereits ihr ganzes Leben. Durch Aiden hat Jodie Kontakt zur sogenannten Infrawelt, was sie zu einer einsamen Außenseiterin macht. Als sie acht Jahre alt ist, kommt bei einem gefährlichen Zwischenfall ein Kind fast zu Tode. Daraufhin wird Jodie in das Department of Paranormal Activity (DPA) gebracht und in die Obhut des Forschers Nathan Dawkins (Willem Dafoe) gegeben. Dawkins soll herausfinden, wo die Ursachen von Jodies übernatürlichen Verbindungen zu finden sind. Wir begleiten Jodie bis zu ihrem 23. Lebensjahr.
Ein entscheidungsbasierter Film. Oder?
Wir steuern Jodie und ihren unsichtbaren Begleiter durch ein aufregendes und actionreiches Leben, mit vielen kleinen und großen Entscheidungen. Diese beginnen schon, wenn die achtjährige Jodie den ersten Tests unterzogen wird, die sie mit Hilfe von Aiden lockerleicht meistern kann – sofern wir Spieler es denn wollen. Werden wir etwas gefragt, können wir zwischen Antworten wählen und… Moment! Was für Entscheidungen treffen wir hier eigentlich? Wir werden etwas gefragt, was mit Ja oder Nein beantwortet werden kann, und dürfen unentschlossen mit einem „weiß nicht“ oder einem deutlicheren „ja“ antworten. Aber schon die Antwort des Forschers Dawkins zeigt: Es macht keinen Unterschied, wie wir antworten. Nicht einmal einen klitzekleinen. Und so zucken wir mit den Schultern oder nicken mit dem Kopf wie es uns passt und eigentlich nur, um etwas zu tun zu haben.
Wirklich ausschlaggebend für den Verlauf scheint keine der Entscheidungen zu sein, die wir mit der Zeit so treffen. Doch wir können mit Aiden weiter gehen, als es für Jodie gut ist. Zerstört Aiden ein ganzes Büro gegen Jodies Willen, bricht sie zitternd und mit Nasebluten zusammen. Es sind charakterliche Entscheidungen, die so etwas wie Einfluss zu nehmen scheinen. Je weiter das Spiel fortschreitet, desto gewichtiger werden Entscheidungen oder der Ausgang bestimmter Szenen jedoch. Lassen wir Personen sterben oder retten wir sie? Darauf basiert dann auch ein möglicher Ausgang der Geschichte. Insgesamt ist die Erzählung in ihrem nicht-linearen Verlauf jedoch gleichbleibend. Entscheidungen, die wir als junge Erwachsene treffen, beeinflussen naturgemäß nicht die kindliche Jodie, andersrum sind Entscheidungen als Kind kaum gewichtig genug, um wirklichen Einfluss auf die ältere Jodie zu nehmen.
Eine tolle Geschichte in herausragenden Bildern
Die Geschichte um Jodie und Aiden ist faszinierend. Spannung wird dabei besonders durch den sprunghaften Erzählverlauf erzeugt. In den Ladezeiten wird ein Zeitstrang, der vage an eine Mischung aus einem DNA-Strang und der Milchstraße erinnert, gezeigt. Bei jedem neuen Kapitel taucht dessen Name zeitlich eingeordnet zwischen den bisher gespielten Kapiteln auf und macht eine Orientierung für Spieler einfacher. Doch auch ohne diese kleine Orientierungshilfe ist es recht einfach, sich in der Geschichte zurechtzufinden. Dass die Erzählstruktur letztendlich bruchstückhaft ist, kaschieren die Zeitsprünge recht gut.
Die Bildtechnik ist herausragend. Stellenweise ist der Unterschied zwischen Film und Spiel enger denn je, besonders durch Ellen Page und Willem Dafoe, die die beiden Spielfiguren schauspielerten. Bis die Grenzen ganz verschwinden, ist es noch ein langer Weg, doch „Beyond: two souls“ macht einen weiteren großen Schritt in diese Richtung. Unterstützt wird dies durch die Musik von Lorne Balfe und Hans Zimmer, die die dichte, cineastische Atmosphäre fördert.
Neben dem Einzelspielermodus bietet das Spiel einen Zweispielermodus an, in dem jeweils Jodie und Aiden gespielt werden können. Dies jedoch nie gemeinsam, sondern im Wechsel. Oft ist es besonders für den Spieler von Aiden eher eintönig als spannend, da die Spielzeit von Jodie deutlich überwiegt. Das Gameplay ist insgesamt simpel, auch wenn die Aiden-Szenen schwieriger zu steuern sind, da das formlose Wesen in der Luft schwebt.
Nur ein hübscher Schein
„Beyond: two souls“ ist insgesamt leider ein Paradebeispiel für die Spiele, die mit dem entscheidungsbasierten Einfluss des Spielers auf den Spielverlauf und das Ende werben, in der Summe aber doch mehr Schein als Sein sind. Dafür ist die Geschichte spannend, die Charaktere interessant und die Optik sehr realistisch. Besonders beim ersten Spielen macht „Beyond: two souls“ sehr viel Spaß. Ähnlich wie bei „Heavy Rain“ ist jedoch auch hier jedes weitere Durchspielen tendenziell zäh, da sich die filmischen Längen nicht überspringen lassen. Dramatische Sequenzen, eigentlich ein Pluspunkt für die Geschichte, können hier einfach zu langatmig sein.
Alleine, zwischen Jodie und Aiden wechselnd, bietet das Spiel viel Spaß und gute Unterhaltung. Jedes weitere Spielen und der sehr dürftige Koop-Modus verringern diesen Spielspaß leider sehr. Und nicht zuletzt ist es frustrierend, viele Entscheidungen treffen zu müssen, die ganz offensichtlich vollkommen gleichgültig für den Verlauf des Spieles sind. Da darf Quantic Dreams gerne weiter tüfteln!
Beyond: Two Souls. Entwickler: Quantic Dream. Publisher: Sony Computer Entertainment. Erstveröffentlichung: 2013. Plattformen: PlayStation 3, PlayStation 4. Genre: Adventure, interaktiver Film. Einzelspieler und Koop-Modus.
Ein Beitrag in der Reihe um entscheidungsbasierte Spiele.
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