Ein Leben nach dem Cape

von | 04.11.2016 | Buchpranger, Graphic Novels, Comics, Manga

Was machen Helden, wenn sie ihr Cape ablegen? Können sie überhaupt noch ein normales Leben führen oder verfolgen sie ihre Heldentaten weiter? Diesen Fragen ging Brian Micheal Bendis 2001 in der „Alias“-Comicreihe rund um die ehemalige Superheldin Jessica Jones nach. Diese Comic-Reihe, welche auch als Vorlage für die gleichnamige Serie ist, erscheint nun in zwei Megabänden. Geschichtenerzähler Adrian Leonardo hat sich den ersten Megaband angeschaut und begleitet die Privatdetektivin mit den Superkräften bei ihren Fällen.

jessica-jones_aliasEinst als gefeierte Superheldin mit dem glänzenden Namen „Jewel“ befindet sich Jessica Jones nun in einem verqualmten und dreckigen Büro im Manhattaner Stadtteil Hell’s Kitchen. Ein Schicksalsschlag brachte sie dazu, ihr Kostüm niederzulegen und sich einem normalen Leben zuzuwenden. Jedoch ist es gar nicht so leicht, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen, wenn sie in einer Welt lebt, wo Superhelden zum alltäglichen Stadtbild gehören. Immer wieder flüchtet sie sich in den Alkohol und in kurze Bettgeschichten, unter anderem mit dem ebenfalls ehemaligen Superhelden Luke Cage.
Ihr Geld verdient sie als Privatdetektivin, was sie nicht selten auf die Spur ihres alten Lebens zurückbringt. So soll sie die verschwundene Schwester einer Klientin finden, welche wohl mit einem Typen durchgebrannt ist. Schnell entpuppt sich dieser Typ jedoch als Steve Rogers alias Captain America und Jessica findet heraus, dass sie als Teil eines politischen Machtkampfes missbraucht wurde.
Ein anderer Fall führt sie in eine Kleinstadt und auf die Suche nach einer verschwunden, jungen Frau. Das Gerücht, dass diese junge Frau eine Mutantin sein soll, zusammen mit den mutantenfeindlichen Predigten des dortigen Priesters führen Jessica Jones vor Augen, dass Rassismus gegenüber „Andersartigen“ beziehungsweise Mutanten in vielen Teilen der „normalen“ Bevölkerung noch stark verbreitet ist.

Sex, drugs and investigation

Allein das erste Wort, welches in dieser Comic-Reihe fällt, zeigt, dass man keine strahlende Superheldengeschichte erwarten kann. Mit einem lauten, durch Satzzeichen zensierten „FUCK!“, dass durch die schwarz-braune Tür der „Alias Investigation“ – Jessica Jones‘ Privatdetektei – schallt, ist klar, dass das hier dreckiger werden könnte. Durch die Veröffentlichung bei Marvel MAX-Imprint, wo Marvels erwachsenere Superheldengeschichten veröffentlicht werden, war es möglich, eine selbstzerstörerische Jessica Jones zu zeigen, die raucht, trinkt und flucht. Zudem schaffte es Brian Michael Bendis eine düstere Noir-Atmosphäre zu erzeugen, welche an Detektiv-Geschichten aus den 20er oder 30er Jahren erinnerte.

Das Spiel mit den Farben

Der Fokus von Micheal Gaydos Zeichnungen liegt auf den Figuren und den wichtigen Details, während Hintergründe meist eher wie Skizzenzeichnungen wirken. Ebenfalls ist in den Panels eine gelungeneDynamik zu erkennen. Selbst wenn Jessica immer in der gleichen Haltung den Erklärungen ihrer Klienten lauscht, so wirken die Bilder dennoch nicht monoton, was gerade solch kleinen Details wie dem Rauch der Zigarette zuzuschreiben ist.
Eines der prägnantesten Dinge in dieser Comic-Reihe ist das Spiel mit den Licht- und Farbstimmungen, welche von Matt Hollingsworth in Szene gesetzt wurden. Je näher Jessica etwa einem dunklen Geheimnis kommt, desto dunkler werden auch die Panels, bis sie schließlich mehr Schatten als Licht enthalten. In glücklichen oder zufriedenen Momenten aber ziehen sich diese Schatten weitestgehend zurück und machen Platz für farbenfrohere Bilder. Mit der Farbe Lila verbindet Jessica Jones ihr negativstes Erlebnis. Diese Farbe kommt dann zum Einsatz, wenn es um starke sowie negative Gefühle geht.

Ist das etwas für mich?

bk_superheldDie Alias-Comics erzählen die Geschichte einer sehr verbitterten ehemaligen Superheldin, die sich dennoch immer einen Funken Optimismus behält. Eben dieser Kampf mit sich selbst wird im Comic sehr gut aufgezeigt – und erzählt durch Dialoge und meist ruhige Bilder eine vielseitige Detektiv-Noir-Geschichte. Wer hier ein Actionfeuerwerk wie bei den „Avengers“ oder „Spider-Man“ erwartet, wird enttäuscht werden. Wem jedoch Comics wie „Marvels“ oder „Gotham Central“ zugesagt haben und wer sich für die menschliche Seite der Superhelden interessiert, wird auch mit „Jessica Jones“ seinen Spaß haben.

Jessica Jones: Alias – Megaband 1. Brian Micheal Bendis. Zeichner: Michael Gaydos, Bill Sienkiewicz, Mark Bagley, David Mack. Farben: Matt Hollingsworth. Panini. 2016.

Bücherstadt Magazin

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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