Durch meine Arbeit bin ich viel mit dem Auto unterwegs und so bezeichnet meine Frau unseren dunkelroten Fiat Panda scherzhaft als meine zweiten vier Wände.
Da die Fahrten von einer Stadt in die nächste meist mehrere Stunden in Anspruch nehmen, bin ich immer wieder auf Autobahnraststätten angewiesen. Auch auf meiner jetzigen Fahrt nach Hamburg bahnt sich einige Kilometer vor meinem Ziel ein kurzer Zwischenstopp an, da meine Konzentration nachlässt.
Zuerst halte ich es für eine dieser Standardraststätten mit Holztischen und Bänken sowie einem Toilettenhäuschen. Als ich jedoch ein mit kleinen Lampen beleuchtetes Lokal sehe, stutze ich. Trotz seines einladenden Äußeren wirkt es irgendwie fehl am Platz. Auch wenn es seltsam scheint, nutze ich die Gelegenheit für ein außerplanmäßiges Abendessen.
Schon als ich durch das kleine Tor zum Biergarten schreite, umfängt mich ein Wohlgefühl. Beinah wie nach Hause kommen, denke ich und lächle, während ich durch die Eingangstür trete.
Wenn ein Ort das Wort ‚urig‘ verdient, dann dieses Lokal. Holzvertäfelte Wände, Holzstühle und -tische, dekoriert mit Feldblumen in schlichten Vasen. An den Wänden hängen verschiedene Objekte aus allen Himmelsrichtungen. Hier ein Anker, dort eine Kuckucksuhr. Sogar ein singender Fisch und eine Buddha-Statue.
Vor lauter Faszination bemerke ich die Wirtin nicht, die plötzlich neben mir steht. Sie schaut mich erwartungsvoll an und ich sage ihr, dass ich gerne etwas essen würde. Daraufhin geleitet sie mich zu einem Tisch am Fenster.
Kaum setze ich mich hin, legt sie schon eine Speisekarte vor mir auf den Tisch. Ich bedanke mich und frage gleich, ob sie Fassbrause hätten. Die Wirtin nickt und ich bestelle eine große.
Neugierig durchblättere ich die Menükarte und entscheide mich schließlich für das Schnitzel mit Kartoffeln und roter Beete. Kaum schlage ich die Karte zu, steht die Wirtin erneut neben mir. Ich erschrecke mich und bestelle mein Essen. Wortlos nickt sie, stellt mir die Fassbrause hin und verschwindet wieder hinter dem Tresen.
Während ich an meinem Getränk nippe, schaue ich mich erneut im Gastraum um, beäuge die anderen drei Gäste an diesem Abend.
Jeder sitzt wie ich an einem eigenen Tisch. Das dunkle Holz schluckt viel von dem schummrigen Licht und so liegen die Gesichter der Männer im Schatten. Mit seiner Kappe und der blauen Jacke wirkt der eine beinah wie ein Seemann, die anderen ähneln Hafenarbeitern.
Allgemein erinnert das ganze Ambiente an ein Hafenlokal. Auch wenn das nächste Gewässer noch einige Kilometer entfernt ist, schiebe ich die Wahl der Einrichtung auf die nahegelegene Stadt Hamburg.
Ich muss nicht lange auf mein Essen warten, denn erneut mehr schleichend als gehend taucht die Wirtin mit einem Teller neben meinem Platz auf. Ich lege mein Smartphone beiseite, auf dem ich gerade noch meiner Frau ein kurzes Reiseupdate gegeben habe und begutachte mein Essen. Es sieht einfach köstlich aus und so kann ich es kaum erwarten, es zu probieren.
Das beste Schnitzel, das ich je gegessen habe, denke ich, als ich Gabel und Messer zurück auf den leeren Teller lege und mich in meinem Stuhl zurücklehne. Als ich der Wirtin schließlich aufzeige, dass ich zahlen will, bin ich darauf vorbereitet, dass sie plötzlich wieder ohne ein Geräusch neben meinem Tisch steht.
Trotz der grandiosen Qualität des Essens fällt die Rechnung sehr niedrig aus, sodass ich ein ordentliches Trinkgeld dazugebe. Die Wirtin bedankt sich mit einem Nicken, räumt Teller und Glas ab und dann ist sie auch schon verschwunden.
Nach einem Blick auf die Uhr stehe ich auf und gehe langsam zur Tür, immer noch den Geschmack des Essens genießend. Die Energie müsste reichen für den Rest der Strecke, beschließe ich und trete hinaus in die frische Abendluft. Erst jetzt fällt mir auf, wie stickig es in dem Lokal war.
Als ich zurück bei meinem Auto bin, öffne ich die Tür und halte kurz inne. Ich werfe noch einmal einen Blick zurück und stelle verwundert fest, dass das Lokal verschwunden ist. Dort wo es stand ist nur grüne Wiese.
Schmunzelnd schüttle ich den Kopf. Es passt eh viel besser an einen Hafen oder ans Meer, denke ich. Aber das war das beste Schnitzel, das ich je gegessen habe.
Text: Geschichtenerzähler Adrian
Illustration: Geschichtenzeichnerin Celina
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