Eine Autorin rettet ihren Verlag

von | 29.11.2021 | Buchpranger, Sach- und Fachbücher

Da dachte ich, ich wüsste schon viel über die Frau, der ich meinen Namen verdanke – doch es gibt immer wieder Neues über Astrid Lindgren zu erfahren. Und je mehr ich über sie lese, desto mehr bewundere ich sie. Astrid Lindgren war „nicht nur“ die weltbekannte Kinderbuchautorin. – Von Zeilenschwimmerin Ronja

Astrid Lindgrens Lebensgeschichte wurde natürlich bereits mehrfach festgehalten – unter anderem auch verfilmt („Astrid“, 2018). Einiges war mir schon bekannt und in den letzten Jahren kamen mehrere Bücher über Astrid Lindgren heraus, die neue Seiten ihrer Persönlichkeit aufzeigten – darunter ihre Kriegstagebücher („Die Menschheit hat den Verstand verloren“, 2015) und ihr Briefwechsel mit Louise Hartung („Ich habe auch gelebt“, 2016). Trotzdem war mir bisher nicht bewusst, wie wichtig ihre Arbeit im Verlag war – nicht als Autorin, sondern als Verlegerin.

Die Verlegerin Astrid Lindgren

Als Astrid Lindgrens erstes Buch („Britt-Mari erleichtert ihr Herz“) 1944 beim schwedischen Verlag Rabén & Sjögren veröffentlich wurde, befand sich der noch sehr junge Verlag in großen finanziellen Schwierigkeiten. Eine Insolvenz konnte durch einen Investor gerade noch abgewendet werden. Mit der Veröffentlichung von „Pippi Langstrumpf“ 1945 ging es langsam aufwärts für den Verlag. Lindgrens Werke hatten einen großen Anteil am Erfolg von Rabén & Sjögren, zeitweise waren sie für bis zu 40 Prozent der Einnahmen verantwortlich. Doch ihre Bücher allein hätten den Verlag trotzdem nicht überdauern lassen.

1946 tritt Astrid Lindgren eine Halbtagsstelle bei Rabén & Sjögren an – auf Vermittlung ihrer großen Unterstützerin, der Stockholmer Bibliothekarin Elsa Olenius, die eine bekannte Stimme der Kinderliteraturszene und gleichzeitig Beraterin des Verlags war. Lindgren schrieb morgens an ihren Büchern und war nachmittags im Verlag. Anfangs hatte der Verleger Hans Rabén sie vermutlich eher als Assistentin eingestellt, aber Lindgren wurde bald vielmehr seine Stellvertreterin – auch wenn sie den Titel nie offiziell erhielt. Obwohl sie aus finanzieller Sicht die Anstellung schnell nicht mehr nötig hatte, arbeitete sie noch bis 1970 im Verlag und verhalf in dieser Zeit mit ihren Entscheidungen nicht nur Rabén & Sjögren zum Erfolg, sondern veränderte die Kinderliteratur und die Wahrnehmung von Kinderbüchern in Schweden grundlegend.

Spannende neue Einblicke

Kjell Bohlund, selbst eine Zeit lang Verleger bei Rabén & Sjögren, zeigt in diesem Buch Astrid Lindgrens geschäftstüchtige Seite. Von der Entstehungsgeschichte des Verlags, über Lindgrens Eintritt bis zum Ende ihrer Verlegerinnentätigkeit berichtet Bohlund mit großer Wertschätzung, ohne dabei in übermäßiges Lob zu verfallen. Er beleuchtet, welchen Einfluss Lindgrens Persönlichkeit auf ihre Arbeit hatte, zitiert aus Briefen an Autor*innen (in denen sie sich immer bemühte, etwas Nettes über das Werk zu sagen) und beschreibt die Auswirkungen ihrer Tätigkeit. In der deutschen Ausgabe wurden zudem zwei Kapitel ergänzt, die sich spezifisch mit ihrer Verbindung zu Deutschland beschäftigen.

Angesichts der großen Bedeutung von Astrid Lindgrens Verlagsarbeit ist es erstaunlich, dass darüber bisher scheinbar kaum proportional berichtet wurde. „Die unbekannte Astrid Lindgren“ liefert daher spannende neue Einblicke in ihr Leben. Eine gute Ergänzung unter den biografischen Veröffentlichungen und eine Empfehlung für alle, die mehr über Astrid Lindgren und/oder die Entwicklung der schwedischen (Kinderbuch-)Verlagswelt erfahren möchten.

Die unbekannte Astrid Lindgren – Ihre Zeit als Verlegerin. Kjell Bohlund. Übersetzung: Nora Pröfrock. Oetinger. 2021.

[tds_note]Hier geht es zur Rezension über Lindgrens autobiographischen Band „Das entschwundene Land“.[/tds_note]

Ronja Storck

Ronja Storck

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