Eingeschränkte Lesefreude

von | 23.08.2024 | Belletristik, Buchpranger

Voller Vorfreude auf den dritten Stand-Alone von Linus Geschke, hat sich Seitentänzerin Michelle-Denise auf den Thriller „Wenn sie lügt“ gestürzt. Jedoch ebbte die Lesefreude leider unerwartet schnell ab.

In einem kleinen beschaulichen Ort am Wald geschieht ein schreckliches Verbrechen: Ein junges Pärchen wird brutal ermordet. Der Täter stirbt auf seiner Flucht, jedoch bleibt Norah weiterhin für die meisten „die Freundin des Killers“. 20 Jahre nach dieser schrecklichen Tat wird die mittlerweile 37-jährige Frau von Drohbriefen heimgesucht, die ganz nach David, ihrem damaligen Freund, klingen. Aber wie ist das möglich? Er sollte doch tot sein … Als dann auch noch Goran, ihr bester Freund aus Jugendtagen, zurückkehrt und von den Briefen erfährt, will dieser die Geschehnisse von damals aufklären. Doch ist Norah wirklich so unschuldig an den Morden gewesen, wie sie immer behauptet hat?

Fehlende emotionale Bindung zu den ProtagonistInnen

Eigentlich ist bereits der Schauplatz der Handlung ein Garant für einen spannenden Thriller. Ein dunkler, unüberschaubarer Wald mit knackendem Gehölz in der Stille der Nacht erzeugt schon eine unwohle Stimmung, die zu einem mysteriösen Mordfall passt. Aber irgendwie fiel es mir dennoch schwer, mich in die Handlung einzufinden. Die ersten 50 Seiten habe ich gelesen, ohne den Inhalt aufzunehmen. Ich konnte mir nicht erklären, warum, weil eigentlich alles vielversprechend war. Ein Doppelmord, dessen Hintergründe alle Beteiligten noch nach 20 Jahren beschäftigen, und Geheimnisse, die endlich ans Licht kommen sollten. Nachdem ich das Buch eine Weile ruhen ließ, gab ich ihm noch mal eine Chance und fing ganz von vorne an.

Beim zweiten Leseanlauf schaffte ich dann doch den Einstieg in die Geschichte und konnte mir dann auch erklären, warum es mir zuvor so schwergefallen war: Goran und Norah, die beiden ProtagonistInnen, waren mir einfach unsympathisch. Beide verletzlich, er irgendwie prollig und unnahbar und sie permanent unterkühlt. Mit Goran und Norah konnte ich bis zur letzten Seite nicht warm werden und nahm ihre Geschichte mit einem gewissen Abstand zur Kenntnis, fühlte und fieberte aber nicht mit ihnen. Mir fehlte einfach die emotionale Bindung. Auch die Nebencharaktere schafften es nicht, mich an die Geschichte zu fesseln.

Wohl durchdachter Aufbau der Kapitel

Das eigentliche große Geheimnis, das erst in den letzten Kapiteln gelüftet wird, kam für mich leider nicht so überraschend, wie es bei Geschkes vorherigen Büchern der Fall war. Man konnte nach zwei Dritteln des Buches schon ahnen, wer sich als Verfasser der Drohbriefe verbergen mochte und wie alle Geschehnisse miteinander verbunden sind.

Auch wenn mich „Wenn sie lügt“ leider nicht so überzeugen konnte wie Geschkes erster Stand-Alone „Das Loft“ (klare Leseempfehlung!), hat mir der Aufbau des Buches sehr gefallen. Eingeleitet durch allgemeine Informationen des Bundeskriminalamtes zu bestimmten Themen, wie der Mordaufklärungsrate in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern, wurde man bereits zur Einstimmung in eine Richtung gelenkt, mit der sich die nächsten Kapitel thematisch befassen würden. Im Folgenden wurde die Geschichte nicht nur aus Gorans und Norahs Sicht dargestellt, sondern auch von dem unbekannten männlichen Verfasser der Drohbriefe. Speziell diese Passagen brachten noch einen besonderen Funken Spannung in die Handlung.

Ich habe den Thriller zwar bis zur letzten Seite gelesen, aber wie man bereits ahnen konnte, hat mich die Geschichte nicht vollends überzeugt. Wie es für den Autoren typisch ist, wurde genau beleuchtet, was die Personen dazu angetrieben hat, dieses oder jenes in der Vergangenheit getan zu haben. Diese Vorgehensweise finde ich allgemein gelungen, aber in diesem Fall war mein Interesse daran, durch die fehlende emotionale Verbindung zu den ProtagonistInnen, stark getrübt.

Wenn sie lügt. Linus Geschke. Piper. 2024.

Michelle-Denise Oerding

Michelle-Denise Oerding

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