Elias Vorpahl im Interview

von | 20.03.2019 | Buchpranger, Im Interview, Stadtgespräch

Physiker benutzen die Mathematik als ihre Sprache. Das Fundament der Mathematik ist Logik. Es darf keine Widersprüche geben. Kann man aus einer Behauptung einen Widerspruch ableiten, gilt dies in der Mathematik als Beweis dafür, dass die Behauptung nicht stimmt. Dies hat mir geholfen, als ich mir für das Buch überlegen musste, wie die Welt der Sprache funktioniert.

Nachdem Zeichensetzerin Alexa in „Der Wortschatz“ tief in die Welt der Sprache eingetaucht ist, wollte sie nun mehr vom Autor Elias Vorpahl erfahren. Im Interview erzählt er unter anderem, wie es zu der Kooperation mit der Illustratorin Julia Stolba und der Designerin Lena Stadler kam, was es mit dem Buchblatt Verlag auf sich hat und wie sich Mathematik mit Sprache verknüpfen lässt.

BK: Es geht in deinem Debüt „Der Wortschatz“ um das Wort, das seine Bedeutung verloren hat, und unter anderem um Wörter, die „wichtiger“ sind als andere. Gibt es welche, die dir persönlich wichtig sind oder die für dich eine größere Bedeutung haben?

EV: Im Buch trifft das Wort auf vermeintlich wichtige Wörter: Hochmut, Beflissenheit, Facettenreichtum. Aber auch kleine Wörter, die auf den ersten Blick unwichtig erscheinen, können große Bedeutung haben. Ich persönlich lerne im Moment ganz viele neue Wörter kennen und sogar neue Buchstaben – ich lerne Bulgarisch. Ein neues Wort, das mir gefällt, ist ъгъл. Es ist das einzige Wort, das mit dem kyrillischen Buchstaben ъ beginnt. Erstaunlich, nicht wahr?

BK: Das ist tatsächlich erstaunlich! Bisher ist mir kein vergleichbares Wort im Kyrillischen begegnet. In „Der Wortschatz“ spielst du ja viel mit Sprache – es findet sich aber auch so mancher Verweis auf andere Geschichten, beispielsweise „Alice im Wunderland“. Inwieweit haben diese Geschichten beim Schreiben an deinem eigenen Roman eine Rolle gespielt?

EV: Sie haben eine große Rolle gespielt. Bei „Alice im Wunderland“ fasziniert mich die Leichtigkeit, mit der Lewis Carroll die Geschichte erzählt. Auf ganz natürliche Weise ist im Wunderland alles möglich, so lange sich die erzählten Wunder ähnlich anfühlen. Beim „Wortschatz“ ist es die Welt der Sprache, die der Fantasie alle Möglichkeiten eröffnet. In dem Kapitel „Eine verrückte Teeparty“ habe ich das Setting aus dem Kapitel „A Mad Tea-Party“ aus Carroll’s Roman aufgegriffen. Es gibt sogar einen Hutmacher.

BK: Intertextualität, Sprachwandel – es wirkt beinahe so, als hättest du zumindest die Einführungskurse der Germanistik besucht, studiert hast du aber Mathematik. Lässt sich Sprache auch mit Mathematik verknüpfen?

EV: Physiker benutzen die Mathematik als ihre Sprache. Das Fundament der Mathematik ist Logik. Es darf keine Widersprüche geben. Kann man aus einer Behauptung einen Widerspruch ableiten, gilt dies in der Mathematik als Beweis dafür, dass die Behauptung nicht stimmt. Dies hat mir geholfen, als ich mir für das Buch überlegen musste, wie die Welt der Sprache funktioniert. Wie sprechen Wörter? Was passiert mit den Worten, die von Wörtern gesprochen werden usw.? Mathematiker tendieren dazu, Fragestellungen bis an ihre logischen Grenzen, also ad absurdum zu führen. Ich glaube, auch „Alice im Wunderland“ ist so entstanden. Lewis Carroll war auch Mathematiker.

BK: Wie kam es eigentlich zu der Kooperation mit der Illustratorin Julia Stolba und der Designerin Lena Stadler? Sind weitere gemeinsame Projekte geplant?

EV: Ich hatte damals verschiedene Hochschulen angeschrieben, ob sie Studenten kennen, die Lust auf die Illustration eines Buches hätten. Julia hat sich daraufhin bei mir gemeldet. Sie war an der LMU in München in Kunstgeschichte und Bildende Kunst eingeschrieben. Ich hatte großes Glück. Ihre Illustrationen sind wunderbar. Lena habe ich durch Zufall in Berlin kennengelernt. Sie war die Mitbewohnerin von Freunden. Als ich erfuhr, dass sie Designerin ist und großes Interesse speziell am Buchdesign hatte, entschlossen wir, zusammen am „Wortschatz“ zu arbeiten. Ich will definitiv wieder mit den beiden zusammenarbeiten. Bei meinem nächsten Projekt wird es zwar keine Illustrationen im Innenteil geben, aber vielleicht kann Julia auch wieder etwas zum Cover beitragen.

BK: An welchen literarischen Projekten arbeitest du denn derzeit?

EV: Ich schreibe regelmäßig Kurzgeschichten, die auf www.prosathek.de veröffentlicht werden. Der „Wortschatz“ soll auch ins Englische übertragen werden. Da würde ich gerne eng mit dem Übersetzer zusammenarbeiten, weil sich inhaltlich viele Dinge nicht so einfach aus der deutschen Sprache ins Englische übertragen lassen. Außerdem habe ich die Idee für einen zweiten Roman. 2020 möchte ich mit der Arbeit daran beginnen.

BK: Was hat es eigentlich mit dem Buchblatt Verlag auf sich?

EV: „Der Wortschatz“ ist im Eigenverlag erschienen. Auf dem Weg zur Veröffentlichung haben wir viel gelernt und sind ein gut eingespieltes Team geworden, sodass ich unser Wissen auch gerne anderen Autoren zur Verfügung stellen möchte. Dies soll unter dem Namen Buchblatt Verlag geschehen. Wer mir also Manuskripte schicken möchte, die auch ins Märchenhafte gehen und gut zum „Wortschatz“ passen, ist dazu herzlich eingeladen.

BK: Dann sollen weitere Bücher – auch von anderen Autoren und Autorinnen – im Buchblatt Verlag erscheinen?

EV: Ja! Das wäre toll, wird aber vermutlich noch eine Weile dauern.

BK: Im Buch steht der Hinweis „Schicke uns Deine Geschichte aus der Welt der Sprache, und sorge dafür, dass eine Welt lebendig bleibt: www.der-wortschatz.de“ – der Internetauftritt ist zwar noch nicht verfügbar, aber was können Interessierte dahinter erwarten? Und steht schon fest, wann die Seite aufrufbar sein wird?

EV: Im „Wortschatz“ geht es auch darum, wie wir mit Fantasie Geschichten zum Leben erwecken. Im Buch ist nur ein kleiner Teil der Welt der Sprache beschrieben. Es gibt in dieser Welt Orte, die ich gerne besuchen würde. Es braucht aber jemanden, der diese Orte zugänglich macht. www.der-wortschatz.de soll deshalb eine Plattform werden, auf der jeder, der gerne schreibt, Geschichten aus der Welt der Sprache hochladen kann. Auch Illustrationen soll es geben. Ich suche im Moment jedoch noch jemanden, der die Seite programmiert.

BK: Kann man dir in nächster Zeit irgendwo beim Lesen zuhören?

EV: Am 21. März lese ich auf der Leipziger Buchmesse. Am 25. Mai lese ich bei ProsaTanzt im Ampere in München. Das ist ein besonderes Konzept: Zuerst gibt es eine Stunde Lesung und danach Musik von DJ Rupidoo.

BK: Zwei bücherstädtische Fragen zum Schluss: Wenn du ein Buch wärst, welches wäre es?

EV: „Der Distelfink“.

BK: Und: Welche Frage hast du dir in einem Interview schon immer gewünscht? Wie würde deine Antwort auf die Frage lauten?

EV: Wem ist die Illustration in Kapitel 10 nachempfunden, die den alten Mann mit Tintenfass und Federkiel am Schreibtisch sitzend zeigt? Meine Antwort: Schau mal genau hin.

BK: Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, die Fragen zu beantworten!

EV: Sehr gerne! Vielen Dank für die tollen Fragen.

Foto: privat

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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