Ich muss zugeben, selten habe ich mich nach dem Verschlingen eines Buches schwerer damit getan, anschließend eine Rezension darüber zu schreiben. Denn wo ich bereits mit einer enthusiastischen Grundstimmung die erste Seite des Buchs von Anne Wizorek aufgeschlagen und zustimmend nickend weitergeblättert habe, da mag ein anderer schon allein beim Wort „Feminismus“ die Nase rümpfen. – Von Buchstaplerin Maike
Anne Wizorek, Feministin der jüngsten Generation und Begründerin der Twitter-Kampagne #Aufschrei, fasst in „Weil ein #Aufschrei nicht reicht“ die aktuellen Diskurse zu den Themen Feminismus, Sexismus und Diskriminierung zusammen. Von Beobachtungen von Alltagssexismus, Manipulation durch die Werbung, Frauenquote, Pille danach, Abtreibung, Sexualität – alles, was in den Medien und vor allem online gerade heftig diskutiert wird, beschreibt und kommentiert die Autorin aus feministischer Perspektive.
So sollen die Leser_innen über den vermeintlichen Status Quo unserer Gesellschaft nachdenken und verstehen, dass Ungerechtigkeiten (hier eben mit dem Schwerpunkt auf Sexismus gegen Frauen) nicht naturgegeben sind, sondern abgebaut werden können und müssen. Im zweiten Teil des Buches wird die #Aufschrei-Bewegung nachgezeichnet und Grundlegendes zum Thema Feminismus gut lesbar aufbereitet. So schließt das Buch mit Hinweisen, wie man sich für Feminismus einsetzen und damit die Gesellschaft verändern kann – egal welches Geschlecht man hat.
„Ein weißer, heterosexueller Mann ohne Behinderung hat […] die besten Voraussetzungen, um diskriminierungsfrei durchs Leben zu gehen, da er aus Sicht des Patriarchats die menschliche Norm darstellt.“ (S. 20)
Gerade die Sprache des Buches ist gleichzeitig sein Vor- und Nachteil. So bewegen sich die Kapitel immer in einer Mischung aus Umgangssprache, derben Ausdrücken und einfachen Erklärungen, wie man sie eben auf einem Blog finden würde, zum gegenwärtigen feministischen Diskurs. Das erleichtert gerade Neueinsteiger_innen das Verständnis und zeigt auf, dass ein hochpolitisches Thema auch mit einem Schmunzeln angegangen werden kann. Aber genau diese Sprache, die sich an ein Internet-erprobtes Publikum wendet, macht die Thesen auch angreifbar für diejenigen, die „Weil ein #Aufschrei nicht reicht“ als hochwissenschaftliches politisches Manifest lesen wollen. Aggressiv sind die Thesen, ohne übrigens Hass schüren zu wollen. Nur leider können durch den harten Umgangston, dessen Zweck sein soll, Unmut gegenüber einer ungerechten Gesellschaft auszudrücken, aber eben immer auch anders interpretiert werden. Dabei ist immer klar, dass das Buch letzten Endes nur ein Denkanstoß ist, ein Angebot, sich mit dem Thema zu beschäftigen und es zu diskutieren.
„Das F in Feminismus steht für Freiheit.“ (S. 312)
Doch wie diskutiert man ein Buch, das ja nicht im luftleeren Raum steht, sondern sich auf hochaktuelle Ereignisse bezieht? Denn fest steht, hier ist es mit der Lektüre im Buch nicht getan, wenn man sich mit Alltagssexismus beschäftigt. Hier ist eher die Aufforderung, sich selbst (auch anhand einiger Empfehlungen) weiterzubilden und gegebenenfalls zu vernetzen. Genug Diskussionsstoff bietet das Buch allemal. Vor allem die „Digital Natives“ werden sich am leichtesten einlesen und die beschriebenen Phänomene im Internet nachvollziehen können. Doch eigentlich ist es ein Buch für alle. Auch und gerade für diejenigen, die sich durch z.B. das Infragestellen des Patriarchats angegriffen fühlen.
Und da ich das Buch für ein wichtiges Grundlagenwerk halte, um in den Diskurs einzusteigen, um sich mit gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen, und weil ich niemandem vorschreiben will, wie er_sie zu denken hat, an dieser Stelle von mir ausnahmsweise keine Laternenbewertung. „Weil ein #Aufschrei nicht reicht“ muss man schon selbst (an-)gelesen haben, um sich eine Meinung zu bilden, und keine Rezension, egal aus welchem Lager, kann das ersetzen. Klar ist nur: über dieses Buch wird gesprochen.
Weil ein #Aufschrei nicht reicht. Für einen Feminismus von heute. Anne Wizorek. Fischer. 2014.
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