Nicola Jane Hobbs, Autorin, Ernährungsberaterin und Yogalehrerin, hat mit dem Titel „Die entspannte Frau“ eine Art Sachbuch-Ratgeber geschrieben, der einen Nerv der Zeit trifft: To-do-Listen bestimmen unseren Alltag, für Pausen haben wir keine Zeit. Satzhüterin Pia hat sich das Buch genauer angesehen.
Der Klappentextteil „Es ist die Chance, uns von Stress und toxischer Produktivität zu befreien“ hat mich ganz besonders angesprochen. Toxische Produktivität. Die Krankheit unseres Zeitalters und ganz besonders für Frauen. Warum Frauen? Nun, wir können alles werden und dürfen alles sein, aber gleichzeitig bestehen weiterhin alte Muster, wie die überwiegend von Frauen verrichtete Care-Arbeit. Statt also im besten Falle alles sein und werden zu können, kommt frau schnell in einen Strudel aus Arbeit – Care-Arbeit, Hausarbeit, Lohnarbeit – und hat ein entsprechend angespanntes Nervensystem, das nicht abschalten kann. Ja, man kann sich auf das Sofa setzen, aber abschalten? Wirklich Pause machen? Kaum möglich.
Angespanntes Nervensystem
Pausen zu machen ist wichtig, das wissen wir theoretisch, aber wie wichtig ignorieren wir viel zu oft, und noch dazu ist das dauerangespannte Nervenkostüm nicht mehr in der Lage, aus dem Dauerbetriebsmodus richtig herunterzufahren. Nicole Jane Hobbs zeigt in „Die entspannte Frau“ nicht nur auf, dass gezieltes Ausruhen essenziell ist, um gesund und gut durch den oftmals stressigen Alltag zu kommen, sondern gibt auch Techniken an die Hand, mit deren Hilfe wir aus der eigenen Anspannung langfristig herausfinden können. Es geht also nicht so sehr darum, stumpf auch an die eigene Selfcare zu denken und sich mal eine Gesichtsmaske zu machen. Vielmehr geht es darum, das Nervensystem zu beruhigen und wortwörtlich zu ent-spannen. Stress können wir in unserem Leben nicht vermeiden, aber wir können lernen, anders mit ihm umzugehen und Pausen sinnvoll und priorisierend in unser Leben einzubauen, so dass echte Erholung aus ihnen resultieren kann.
Hilfe zur Selbsthilfe
Weitere Punkte auf den zahllosen To-do-Listen sind das letzte, was wir brauchen, daher ruft die Autorin immer wieder dazu auf, das Buch und seinen Inhalt nicht als eine solche To-do zu verstehen. Das Buch soll langsam gelesen, der Inhalt sacken gelassen und verstanden werden. Immer wieder gibt es Absätze unter der Überschrift „Innehalten und Nachdenken“, die etwas aus dem Abschnitt zuvor aufgreifen und dazu aufrufen, darüber erst einmal nachzudenken und in sich zu fühlen, was manche Gedanken mit einem machen, was sie in uns auslösen oder wo wir derzeit in unserem Leben stehen oder gerne hinwürden. Wie viel Zeit und Gedanken die jeweilige Leserin darauf verwendet, ist ihr selbst überlassen. Es geht auch darum, ob einen der Teil anspricht, etwas in uns anklingt oder man vielleicht auch später noch einmal darauf zurückkommen möchte.
Neben allgemeinen Teilen und den einen oder anderen kleinen persönlichen Geschichten anderer Frauen, mit denen sich die Autorin unterhalten hat, gibt es konkrete Handlungsimpulse. Diese sollen aber eben keine abzuarbeitende Aufgabenliste werden:
„Natürlich können wir unsere Stressreaktion nicht einfach abschalten, aber wir können sichere Orte und Momente in und außerhalb unserer selbst schaffen. So kann unser Sicherheitssystem von selbst erwachen. Weiter unten findest du einige Techniken, die dir helfen, solche sichere Momente zu schaffen. Achte schon beim Durchlesen darauf, bei welchen dein Körper dir ein sicheres Gefühl vermittelt. Diese Methoden kannst du dann eingehender erforschen.“ (S. 113f)
So individuell wie wir Menschen als Personen sind, so individuell sind auch unsere Erfahrungen und natürlich findet sich nicht jeder Mensch eins zu eins in allen Inhalten dieses Buches wieder. Pausen empfinde ich beispielsweise nicht als „faul“, ich habe vielmehr schlichtweg keine Zeit dafür, oder zumindest das Gefühl, keine Zeit dafür zu haben. Zu viel zu tun. Entsprechend kann ich nicht nachempfinden, wenn es heißt: „Wir verwechseln Ruhe und Faulheit“ (S. 78). Dafür finde ich mich in zahllosen weiteren Punkten sehr gut wieder, wie zum Beispiel dem „Wir arbeiten zu viel“ (S. 78f).
Der Beginn einer Reise
„Die entspannte Frau“ ist eine Lektüre, die nicht nur auf den allgemeinen Zeitgeist der ewigen emsigen Betriebsamkeit abzielt, sondern speziell auf die Rolle der Frau hierin eingeht. Hobbs zeigt auf, wo und warum es besonders Frauen trifft, wie man selbstwirksam werden kann, Spannung im eigenen Nervenkostüm abbauen und zu einer entspannteren Version seiner selbst werden kann. Denn das Buch ist nicht die „Reise“, sondern der Start.
Die Mischung aus wissenschaftlichem Fundament, persönlichen Erfahrungen und spirituell anmutenden Impulsen macht das Buch abwechslungsreich und für viele verschiedene Ansichten empfänglich.
Auf den knapp 300 Seiten kann jede Leserin etwas für sich mitnehmen, möchte ich behaupten.Die entspannte Frau. Warum wir Freiräume für echte Erholung brauchen – für ein erfülltes Leben und eine gerechte Gesellschaft. Nicola Jane Hobbs. Übersetzung: Elisabeth Liebl. Goldmann. 2025.
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