„Wie soll ich Ihnen danken, aparteste, feinfühligste Freundin, für die schnelle, liebe Nachricht? Ihnen zu Füßen fallen und ergriffen einen davon zu küssen, wenn möglich auch beide, das werden Sie nicht zulassen und es als Demütigung empfinden, ich aber sehe darin nur Unterwerfung, eine ihrer Hände zu ergreifen und sie ehrerbietig und leidenschaftlich zu küssen.“
Der russische Schriftsteller Iwan Alexandrowitsch Gontscharow (1812-1891) ist heute vor allem durch sein bekanntestes Werk „Oblomow“ ein Begriff. Über sein Leben hingegen ist verhältnismäßig wenig bekannt, so sehr schützte der Russe seine Privatsphäre und setzte voraus, dass seine Briefe nach seinem Tod nicht an die Öffentlichkeit gelangten, ja sogar vernichtet werden. Zu wenig hielt er von seinen privaten Zeilen, fand darin „nichts Gescheites, Ernsthaftes, Gewichtiges“, doch umso glücklicher kann sich der Leser heute schätzen 32 Briefe seiner umfangreichen Korrespondenz in den Händen zu halten. Denn der ewige, von Schwermut geplagte, Junggeselle begegnete 1855 der fünfzehn Jahre jüngeren Moskauer Adligen Jelisaweta Tolstaja.
„Ich verneige mich vor Ihnen bis zum Erdboden, sogar tiefer. Der Ergebenste aller Ergebenen Gontscharow“
Der sonst so bissige Gontscharow ist verliebt, versteckt seine Sympathie in den Briefen anfänglich hinter Verabredungen und alltäglichen Besorgungen, die sich jedoch steigern, je weniger Antwort er erhält. Emotionen und Gefühle brechen aus, lassen sich von Ablehnung nicht beirren und wirken sich inspirierend auf den hoffnungslos Liebenden aus: Monate darauf beendet er sein wohl größtes Werk „Oblomow“, welches in keiner Hausbibliothek fehlen sollte!
In einem kleinen Format liegt der hochwertige Briefband angenehm in der Hand und eignet sich hervorragend als Geschenk. Die Briefe sind weitaus wertvoller als der Schriftsteller dachte, denn sie brillieren mit sprachlicher Ästhetik, blitzender Selbstironie und tiefer Romantik, die in ihrer Fülle dennoch äußerst würdevoll bleibt. Eine Verehrung höchsten Grades, die sich letztlich selbst idealisiert und kaum noch etwas mit dem Original gemein hat, was jedoch sehr zu Herzen geht. Eine wahrlich inspirierende und rührende Lektüre!
Nicole
urwort.com
Herrlichste, beste, erste aller Frauen; Iwan Gontscharow; Aufbau Verlag; 2013
Ein Beitrag zum Leseprojekt “Russische Literatur”.
0 Kommentare
Trackbacks/Pingbacks