Hesse, Potter & die Bibel

von | 07.09.2017 | Buchpranger

Bei der Erwähnung von verbotenen Büchern denken wohl die meisten hierzulande (das heißt in Deutschland) an Nationalsozialismus und Bücherverbrennungen. Es gab jedoch schon lange vorher Bücher, die verboten wurden. Und gibt es immer noch. Das Parthenon of Books auf der documenta 14 in Kassel zeigt nur einen kleinen Ausschnitt daraus. Zeilenschwimmerin Ronja war da und hat sich staunend umgesehen.

Schon bevor ich selbst ein Buch für das Kunstwerk gespendet habe, stand fest, dass ich unbedingt zwischen den Säulen aus Büchern hindurch schlendern wollte. Vor kurzem hatte ich dann endlich Gelegenheit dazu. Das Parthenon of Books (Parthenon der Bücher) war zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht ganz vollständig. Einige Säulen zeigten immer noch ihr metallenes Innenleben. Ein maßstabsgetreu nachgebautes Athener Parthenon lässt sich nun einmal nicht so leicht mit Büchern behängen. Zumal sämtliche Bücher, die (wetterfest verschweißt) aufgehängt werden, Spenden sind. Das ursprüngliche Spendenziel und damit auch die Aufhängtechnik mussten unter anderem verändert werden, da sonst das Kunstwerk nicht vollständig geworden wäre.

Das Parthenon of Books erlebt in Kassel bereits seinen zweiten Auftritt. Die Künstlerin Marta Minujín errichtete es erstmals 1983 als El Partenón de libros in Argentinien nach dem Sturz der dortigen Militärdiktatur. Es zeigte jene Bücher, die während der Diktatur verboten waren. Aber auch der Friedrichsplatz in Kassel, auf dem das Parthenon of Books errichtet wurde, hat seine eigene, traurige Buchgeschichte. Am 19. Mai 1933 war er Schauplatz einer groß angelegten Bücherverbrennung der Nationalsozialisten.1

Alte Bekannte und einige Überraschungen

Umso schöner ist es, dort nun ein so imposantes Kunstwerk zu sehen. An den Säulen entlang zu streifen ist eine kleine Reise durch Raum und Zeit. Dort hängen alte, vergilbte Exemplare neben Neudrucken, die üblichen Verdächtigen der deutschsprachigen Literatur (sprich Schiller, die beiden Manns, Hesse und natürlich Brecht) neben mir völlig unbekannten Namen und Unmengen an fremdsprachigen Titeln. Eine andere Besucherin konnte erst gar nicht glauben, dass all diese Bücher verboten sein sollten. Und die Bibel? Was habe die denn hier zu suchen? Buchverbote machen keinen Halt vor Religionen. Sie werden, im Gegenteil, oft auch durch sie motiviert. Vielleicht auch einer der Gründe dafür, dass Exemplare von Harry Potter und der Twilight-Saga so zahlreich der Bibel Gesellschaft leisten. Ein wirklicher Glückstreffer erwartete mich dann schließlich an einer der erst kurz zuvor fertig gestellten Säulen. Dort hing eben jenes Buch, das ich einige Monate zuvor gespendet hatte: eine Ausgabe von „Onkel Toms Hütte“.

Die documenta 14 ist noch bis zum 17. September geöffnet und zeigt neben dem Parthenon of Books (für das übrigens kein Eintritt gezahlt werden muss) an verschiedenen Standorten in der ganzen Stadt moderne Kunst aus der ganzen Welt. Zum Ende der Kunstausstellung hin werden übrigens alle Bücher des Parthenon of Books, ganz wie bei seinem argentinischen Vorgänger, unter den Besuchern verteilt. Nähere Informationen konnte ich dazu noch nicht finden. Unabhängig davon lohnt sich aber auch ein zweiter Besuch auf jeden Fall.

1 Diese Informationen stammten von der offiziellen Seite der documenta 14. Hier findest du auch die mittlerweile ca. 120.000 Titel umfassende Liste mit verbotenen Büchern aus aller Welt, die als Vorbereitung für das Kunstwerk von Dozierenden und Studierenden der Universität Kassel erstellt wurde.

http://buecherstadtkurier.com/verbotene-buecher-spenden/

http://buecherstadtkurier.com/buecher-spenden-fuer-die-kunst/

Ronja Storck

Ronja Storck

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  1. Wer hat Angst vor Büchern? – Bücherstadt Kurier - […] Hier fin­dest du übri­gens den Bericht von mei­nem Besuch im Par­the­non of Books. […]

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