Mit ihrem ersten Comic „Grün“ erzählt die Autorin Frauke Berger die Geschichte eines halbtoten Planeten, dessen letzte Bewohner von einer mysteriösen Seuche an den Rand der Auslöschung getrieben werden. Geschichtenerzähler Adrian musste diesen Comic mehrere Male lesen, um der Geschichte folgen zu können … und kann es immer noch nicht so ganz.
Ressourcenausbeutung und Krieg haben den Planeten, auf dem die Nomadin Lis lebt, an den Rand der Zerstörung gebracht. Als wäre dies nicht Strafe genug für die verbleibenden Bewohner, hat eine Seuche jegliche Pflanzen befallen und bedroht auch den Rest organischen Lebens. Einzig die sogenannten Archen, riesige, umherwandelnde Maschinen, sind die letzte Hoffnung auf Flucht vor dem grünen Tod. Auch Protagonistin Lis ist stetig auf der Flucht vor der Seuche und ihrer Vergangenheit.
Erzählerisches Durcheinander
„Grün“ will ein klares Bild gegen die Ausbeutung eines Planeten setzen und zeigt (kurz) auf, welche Folgen dies haben kann. Jedoch ist die Geschichte zu oberflächlich und konfus gehalten, als dass die Leser wirklich die Ausmaße verstehen könnten. Ebenso ist es mit den Figuren gehalten, welche kaum bis gar keine Charaktereigenschaften aufweisen. Die zusammengebrochene Arche, die in einem Panel zu sehen ist, weckt in einem mehr Trauer und Mitgefühl als für irgendeine der anderen Figuren. Selbst Protagonistin Lis wirkt eher wie ein Nebencharakter in ihrer eigenen Geschichte.
Dies könnte vielleicht auch daran liegen, dass die Geschichte zu schnell erzählt wird, sodass kaum bis gar keine Zeit bleibt, den Charakteren Raum für eine ihnen würdige Entwicklung zu geben. Zu sprunghaft werden die einzelnen Stationen auf Lis‘ Reise abgeklappert und stellen somit auch die Leser vor die Herausforderung, Handlungen und Orte in ihrem Umfang wahrzunehmen und zu verstehen, bevor es zu einem Locationwechsel kommt oder der Comic schließlich endet. Beispielweise hätten Perspektivwechsel oder Blicke in die Vergangenheit für mehr erzählerische Tiefe gesorgt. Leider will der Comic sich selbst zu gezwungen mysteriös geben, sodass er sich jeglichen Raum nimmt, die Geschichte dieses namenlosen Planeten in Gänze offen zu legen.
Eine Welt à la Moebius
Frauke Bergers Zeichenstil erinnert an die Science-Fiction-Comics der 70er und 80er Jahre. Besonders an Werke von Jean Giraud, besser bekannt unter dem Namen Moebius, und an Nausicaä von Hayao Miyazaki. Allerdings ist „Grün“, im Gegensatz zu den früheren Science-Fiction-Comics, komplett digital gezeichnet. Ebenso sind die Farben am Computer erstellt und halten sich mehrheitlich eher matt. Dabei ist außerordentlich gut gelungen, Tag und Nacht farblich voneinander zu trennen. Die Panels der Nacht weisen mehr blau-violette Pastelltöne auf.
Der Facettenreichtum, der bei den Charaktereigenschaften von Bergers Figuren fehlt, ist dafür umso deutlicher, wenn es um das Äußere geht. Jede Figur hat klare Wiedererkennungsmerkmale, seien es nun Frisur, Kleidung, Körperproportionen oder auch ihre Gestik. Neben der Gestik ist auch die Mimik gut dargestellt, wodurch die Bilder lebendig und dynamisch wirken.
Eine Feier in einem Nomadendorf vermittelt beim Anblick wirklich das Gefühl, dass dort eine fröhliche und lockere Stimmung herrscht. In einer anderen Szene ist klar die Angst in Lis‘ Augen zu erkennen, als sie von dem schrecklichen Geheimnis hinter diesem Dorf erfährt. Ebenfalls sind die Flora und Fauna auf diesem Planeten treffend gezeichnet und bestärken das Bild der Welt, die den Lesern präsentiert wird. So unterstützt die zusammengestürzte Arche, welche Lis passiert, die Hoffnungslosigkeit, welche sich auf diesem Planeten ausbreitet. Auch der Abstieg in die Tiefengärten löst ein unangenehmes Gefühl aus.
Bei all dem fehlt allerdings die optische Darstellung der Gefahr, die von der Seuche ausgeht. Zwar sind hier und dort immer mal wieder Spuren davon zu sehen, beispielsweise ein zerstörtes Zeltlager. Jedoch hat man beim Lesen nie das Gefühl, dass die Seuche eine Bedrohung ist, da keine Angst, Panik oder ähnliche Gefühle dem gegenüber dargestellt werden.
Leider kein grünes Licht
Wie gerne hätte ich gesagt, dass „Grün“ von Frauke Berger ein wirklich empfehlenswerter Comic ist. Wie gerne hätte ich ihn jedem Sci-Fi-Fan ans Herz gelegt. Leider ist „Grün“ ein weiteres trauriges Negativbeispiel für eine/n sehr begabte/n Comiczeichner/in, welche/r sich gleichzeitig als Autor/in versucht und diesen Spagat nicht meistert.
Der Charakter der Figuren ist zu oberflächlich dargestellt, die Geschichte zu vage und hektisch erzählt. Selbst die schön gezeichnete Welt, sowie der gelungene Facettenreichtum der Figuren rechtfertigt keine Kaufempfehlung bei einem Preis von knapp 16 Euro. Die einzige Hoffnung, welche „Grün“ bei mir nun auslöst, ist, dass ich den zweiten Teil irgendwann in der Bibliothek finde, sodass ich die Möglichkeit habe, zu gucken, ob dieser die Schwächen des ersten Teils ausgleicht.
Grün. Text und Illustration: Frauke Berger. Splitter Verlag. 2018.
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