Jahrelang fechteten Verlagschefin Ulla Unseld-Berkéwicz und Minderheitsgesellschafter Hans Barlach ihre Machtkämpfe aus. Nun bestätigt die zuständige Richterin Mechthild Wenzel die eröffnete Insolvenz. Grund dafür seien Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Ohne Insolvenzverfahren würden Suhrkamp im August drei Millionen Euro und im September bereits 3,5 Millionen Euro fehlen.
Dass Barlach gegen eine Insolvenz war, ist kaum verwunderlich, sieht man dieses Verfahren doch eher als Scheitern als eine Lösung. Und doch könnte das die Rettung für den Verlag sein, die Existenz des Verlags und die Arbeitsplätze der Angestellten könnten gesichert werden. Was sich dabei verändert ist die Rechtsreform von Suhrkamp. Die 1950 gegründete Suhrkamp Verlag GmbH & Co. KG soll in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden: die Suhrkamp Verlags AG.
Diese Änderung hat zur Folge, dass der Gesellschafterstreit das operative Geschäft des Verlags nicht länger beeinflussen kann. In Zukunft würde somit ein Vorstand eigenverantwortlich handeln, wobei die Gesellschafterstellung der Familienstiftung und der Medienholding davon nicht berührt wären. Die Gesellschafter würden auch weiterhin als Aktionäre am Verlag beteiligt sein, künftig würden sich ihre Mitwirkungs- und Einflussrechte jedoch aus dem Aktienrecht ergeben.
Sachverwalter Rolf Rattunde erklärte, dass der Insolvenzplan in Ordnung sei, es in einer Personengesellschaft allerdings schwierig werden könnte, „wenn sich die Personen nicht verstehen, weil sie sich dann gegenseitig blockieren können“. Wie bereits bekannt, stehen sich die Unseld-Familienstiftung (61 Prozent) und der Schweizer Medienholding (39 Prozent) im Streit gegenüber. Barlach erhält im Falle einer Insolvenz weniger Einfluss, bekommt jedoch eine Abfindung oder die Veräußerung seiner Anteile an einen Dritten, wenn er den Verlag verlässt. Geplant ist außerdem, dass der Insel Verlag, der von Suhrkamp abhängig ist, Tochtergesellschaft des Suhrkamp Verlages wird.
Die Eröffnung der Insolvenz ist jedoch nur ein weiterer Schritt im Streit um den Suhrkamp-Verlag. Wie dieser endet, bleibt abzuwarten.
Verlagsgeschichte
„Auf die Frage, wie in kürzester Form der Suhrkamp Verlag zu charakterisieren sei, antworte ich in der Regel: Hier werden keine Bücher publiziert, sondern Autoren“, ließ Siegfried Unseld verlauten. Doch auch verlegte Autoren retten den Suhrkamp Verlag nicht vor der Insolvenz. Der Bücherstadt Kurier wirft anlässlich dessen einen Blick auf den Verlag.
Der Suhrkamp Verlag besteht offiziell seit 1950, gegründet vom Namensgeber Peter Suhrkamp. Der Verleger war bereits 1933 vom S. Fischer Verlag berufen worden, dessen Leitung unter verändertem Namen, „Suhrkamp Verlag vorm. S. Fischer“, Peter Suhrkamp 1936 innehatte. Doch auch vor den Verlagen machte der zweite Weltkrieg nicht Halt, und so wurde Peter Suhrkamp 1942 verhaftet und zum Tode verurteilt. Er überlebte das Konzentrationslager jedoch, und nach seiner Rückkehr teilten die beiden Verlage sich in S. Fischer Verlag und Suhrkamp Verlag. Ein großer Teil der Autoren zog mit Suhrkamp, dessen Sitz bis 2010 im Suhrkamp Haus in Frankfurt am Main zu finden war, seit 2010 in Berlin.
1950, das offizielle Begründungsdatum des Verlags, bezeichnet einen Neuanfang: Werke von Herman Hesse, T.S. Eliot, Bernard Shaw und Bertolt Brecht trugen dazu bei, ihn berühmt zu machen. Der Suhrkamp Verlag verfolgt eine eigene Philosophie, was auch ein Grund für den großen Erfolg über die Jahre hinweg darstellt. Das Augenmerk liegt nämlich nicht auf einzelnen Büchern, sondern auf den Autoren in ihrer literarischen oder wissenschaftlichen Gestalt. Dabei verfolgt der Suhrkamp Verlag verschiedene Schwerpunkte, etwa junge deutschsprachige Literatur, „klassische Autoren“, lateinamerikanische, spanische, portugiesische Literatur oder auch Literatur aus Osteuropa.
1952 stieg Siegfried Unseld, nachdem er mit einer Arbeit über Hermann Hesse promoviert hatte, in den Verlag ein. Fünf Jahre später war er Geschäftsführer, nochmals zwei Jahre später hatte er den Verlag als „geschäftsführungsbefugter Gesellschafter“ (alleiniger Verleger) übernommen. Suhrkamp avancierte zu einem der bedeutendsten Verlage im deutschen Sprachraum. So begründete George Steiner im Times Literary Supplement 1973 den Suhrkamp-Kultur-Begriff, in dem er den großen Einfluss des Verlags erstmals in einem Wort festhielt.
Im Laufe der Jahre entstanden verschiedene Reihen, wie bibliothek suhrkamp (mit Autoren des 20. Jh.), edition suhrkamp (Avantgarde des Programms, das die veränderte politische Situation zum Thema hat), suhrkamp taschenbuch (mit Becketts „Warten auf Godot“ als erstem Titel). Zudem übernahm der Suhrkamp Verlag andere Verlagshäuser wie den Insel Verlag oder den Jüdischen Verlag.
Nach dem Tod Siegfried Unselds im Jahr 2002 übernahm die Geschäftsführung Ulla Unseld-Berkéwicz.
Alexa & Erika
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