Interaktiver Film-Noir-Thriller: Heavy Rain

von | 11.02.2017 | Digitale Spiele, Entscheidungsbasierte Spiele, Spielstraße

Quantic Dreams haben 2005 mit „Fahrenheit“ einen Meilenstein der neuen Spielära gesetzt: Ein Adventurespiel auf den ersten Blick, viel mehr jedoch ein interaktiver Film. Diesen Spagat zwischen Film und Spiel wollte Quantic Dreams Gründer David Cage 2010 perfektionieren und entwickelte „Heavy Rain“. Satzhüterin Pia spielt es mit Begeisterung.

Wie weit würdest du gehen, um eine Person zu retten, die du liebst? Ethan Mars sieht sich mit dieser Frage konfrontiert, als sein kleiner Sohn Shaun Opfer des sogenannten Origami-Killers wird. Seit einiger Zeit macht dieser durch Morde an mehreren Jungen Schlagzeilen. Diese werden nach einigen Tagen der Entführung stets mit einer Orchidee auf der Brust und einer Origami-Figur in der Hand aufgefunden. Ethan Mars wird vom Killer getestet: Fünf Origami-Figuren, ein Handy und eine Waffe – fünf Aufgaben, die seine Liebe zu seinem Sohn testen und ihn näher zu ihm bringen sollen. Unterstützerin wird Madison Paige, die er in einem Motel trifft, in welches er vor den Unmengen an Reportern flieht. Weitere spielbare Figuren sind Norman Jayden und Scott Shelby. Sie untersuchen unabhängig voneinander den Fall. FBI-Agent Jayden in Zusammenarbeit mit der Polizei, Privatdetektiv Shelby im Auftrag der Familien der Opfer.

Krimi für Erwachsene

David Cages „Heavy Rain“ schrieb ohne Frage Geschichte. Der spannende Krimi bietet besonders (jungen) Erwachsenen eine Alternative zu Büchern und Filmen – ohne unbedingt große Ambitionen für Videospiele haben zu müssen. Abgesehen vom Besitz der Playstation 3 (oder für die nachbearbeitete Version auch die PS4) natürlich. Die cineastische Aufbereitung, die auch grafisch heraussticht, lebt von den Entscheidungen des Spielers oder der Spielerin und verzichtet dabei weitestgehend auf ein herkömmliches Gameplay. Der interaktive Film kreiert eine dichte Atmosphäre und immer wieder müssen Entscheidungen getroffen werden, die den Spielverlauf und die Beziehungen zu anderen Figuren beeinflussen. Während es sagenhafte 17 verschiedene Endungen für das Spiel gibt, die je nach getroffenen Entscheidungen ausfallen, wird der Spielverlauf durch die eigenen Aktionen eher geringfügig beeinflusst. Die Freiheit im Spiel ist manchmal nur Illusion, aber auch das kann ja schon ausreichen.

Minimales Gameplay für ganz großes Kino

Das simple Gameplay beschränkt sich auf wenige Tasten des Playstation-Controllers. Mit R2 läuft man, mit dem linken Analogstick wird die Blickrichtung und somit die Bewegungsrichtung verändert, und Actionsequenzen werden als sogenannte Quick-Time-Events dargestellt. Kenntnisse des Controllers erweisen sich als vorteilhaft, wenn schnell aufeinanderfolgend angezeigte Symbole gedrückt, der rechte Analogstick entsprechend bewegt oder der Controller geschüttelt werden muss. Allerdings dürften Gelegenheitsspieler kaum Probleme haben und den Controller gut genug kennen gelernt haben, bis es zum Ende hin kniffliger wird.

Den klassischen Game-over-Bildschirm suchen Spieler hier vergebens, aber das heißt nicht, dass die Figur nicht sterben kann. Ist jedoch eine Figur gestorben, kann das Spiel noch mit den verbleibenden Figuren zum Ende gebracht werden. Neben der Herausforderung, sich in vier komplett verschiedene Charaktere hineinversetzen zu müssen und teils sehr schwierige Entscheidungen für diese zu treffen, werden Spieler eigentlich nur den Reaktionstests bei Quick-Time-Events unterzogen.

Fesselnd, vielschichtig, kinoreif

So ließe sich „Heavy Rain“ in drei Adjektiven treffend beschreiben. Die Geschichte ist fesselnd und ergreifend, die Charaktere sind vielschichtig und interessant, die Darstellung und Präsentation schlichtweg kinoreif. Ob das Spiel gefällt oder nicht, ist zuletzt eine absolut subjektive Frage. Die einen lieben die Möglichkeit, einen Film mitentscheiden zu können, das tiefe Drama mit zu gestalten und es mehrfach durchzuspielen, immer mit dem Ziel vor Augen, ein anderes Ende zu erreichen. Die anderen sind gelangweilt vom banalen Gameplay, den zahlreichen (filmischen) Längen, der dramatischen Ruhe, wenn auch durchsetzt von Actionszenen, die es durchaus in sich haben können.

Heavy Rain. Entwickler: Quantic Dream. Publisher: Sony Computer Entertainment. Erstveröffentlichung: 8. Februar 2010. Plattformen: PlayStation 4, PlayStation 3. Genre: Adventure, interaktiver Film. Einzelspieler.

Ein Beitrag in der Reihe um entscheidungsbasierte Spiele.

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  1. Ein hübscher Schein - Beyond: two souls – Bücherstadt Kurier - […] beim ers­ten Spie­len macht „Bey­ond: two souls“ sehr viel Spaß. Ähn­li­ch wie bei „Hea­vy Rain“ ist je­doch auch hier…
  2. Ende? Bitte alternativ! – Bücherstadt Kurier - […] mit sich brin­gen. Ein schö­nes Bei­spiel und qua­si ein Pio­nier sei­nes Gen­res ist „Hea­vy Rain“. Über­haupt sind die­se „in­ter­ak­ti­ven…

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