„Schatz!? … Essen ist fertig!“
Ich stelle die beiden Weingläser auf dem Esstisch ab und betrachte kritisch mein Werk. Irgendetwas fehlt hier doch … aber was nur? … Servietten – check, Besteck – check, Gläser – check … Ach ja, natürlich, wie konnte ich das nur vergessen? Der antike Kerzenständer, den du mir zu meinem letzten Geburtstag geschenkt hast! Wohin habe ich den letztens nochmal geräumt?
Fünf Minuten und ein erfolgreich ausfindig gemachtes Geburtstagsgeschenk später bist du noch immer nicht aufgetaucht – eine Tatsache, die mich schmunzeln lässt. Da ist jemand wohl mal wieder sehr in seine Arbeit vertieft …
Die Tür zu deinem Arbeitszimmer ist nur angelehnt. Leise öffne ich sie einen Spalt und stecke meinen Kopf hinein – um das liebenswürdigste Bild zu erblicken, das es je gegeben haben mag: Das ganze Zimmer ist über und über mit den verschiedensten Stoffen übersät, ein bunter Fleckenteppich, und mittendrin du. Du hast dir die Hemdsärmel hochgeschoben, einen Bleistift in der Hand, einen anderen hinters Ohr geklemmt. Vor dir liegen ein Skizzenblock und mehrere Zeichenutensilien, umrahmt von deiner beachtlichen Sammlung an Nähnadeln und Fäden, und du summst scheinbar unbewusst eine Melodie vor dich hin, die ich augenblicklich als mein derzeitiges Lieblingslied erkenne. Dabei bist du so in deine Arbeit vertieft, dass du mich nicht bemerkst; auch nicht, als ich die Tür noch ein bisschen weiter öffne und mich an den Türrahmen lehne.
Mein Lächeln wird mit jedem Augenblick, den ich hier stehen und dich so betrachten darf, breiter und breiter. Da ist dieses tiefe, mich ganz ausfüllende Gefühl, das ich dabei verspüre. Es ist warm und staunend und glücklich und auch ein klein wenig kribbelig – eine profunde Zuneigung, die alles übertrifft, was ich vorher kannte. Es ist sicher nicht das erste Mal, dass ich mich in deiner Gegenwart so fühle – und doch erscheint es mir immer wieder neuartig und wie ein Wunder. Ob es wohl möglich ist, vor lauter Glückseligkeit zu platzen?
In diesem Moment schaust du auf – dein Blick trifft meinen. Deine Augen blitzen auf und du lächelst mich an, ehe du deine Hand nach mir ausstreckst. Ich spiegele die Geste und gehe auf dich zu bis sich unsere Fingerspitzen berühren und sich unsere Finger widerstandslos ineinander verflechten.
Du ziehst mich näher zu dir heran, auf deinen Schoß und ich schlinge die Arme um deinen Hals. Ich stupse mit meiner Nase leicht gegen deine – du wirkst glücklich.
Aus den Augenwinkeln erhasche ich einen Blick auf deinen Skizzenblock – und wie von selbst dreht sich mein Kopf sofort in diese Richtung; das hier muss ich mir einfach genauer ansehen.
Ein leises „Wow …“ entwischt mir, als ich mit meinen Fingern die feinen Bleistiftlinien des Kleides nachzeichne.
„Gefällt es dir?“ Dein Atem kitzelt mich am Ohr.
„Es ist wunderschön“, antworte ich.
„Es ist noch nicht ganz fertig …“, lässt du mich wissen.
„Es ist fantastisch“, meine ich.
„Nicht so fantastisch wie du in dieser Schürze …“, raunst du und hauchst mir einen Kuss auf den Hals.
Ich lache. „Stopp, stopp, das Essen ist fertig. Ich will nicht, dass noch alles anbrennt …“
„Hm … was gibt es denn?“, nuschelst du, das Gesicht an meiner Halsbeuge vergraben.
„Dein Lieblingsessen – Lasagne.“
Dein Blick schnellt hoch; mit großen, strahlenden Augen siehst du mich an. „Warum sagst du das nicht gleich?“
Du willst aufspringen, aber ich sitze noch immer auf dir und so gehen wir beide fast zu Boden. Du lachst, ich stimme ein. Dann greifst du nach meiner Hand und ziehst mich sehr enthusiastisch Richtung Küche.
Als ich den Teller voller dampfender Lasagne vor dir abstelle, strahlst du wie ein Kind vor dem Weihnachtsbaum. Doch du bist nicht abgelenkt genug, um zu übersehen, dass ich mich von der Schürze befreien will. Blitzschnell, sodass ich beinahe erschrecke, hältst du mich davon ab. Fragend, mit hochgezogenen Augenbrauen sehe ich dich an, als du mir erneut die Schleife bindest. Du meinst nur: „Ich finde immer noch, dass du verboten darin aussiehst …“
Ich lache. „Nix da. Jetzt wird erst mal gegessen.“
„Und dann?“, fragst du scheinheilig.
„Und dann sehe ich mir nochmal diesen fantastischen Entwurf an.“
Lasagne, Nähnadel, Kleid
Bücherstadt Magazin
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