Erwachsen zu werden bedeutet, mit neuen Gefühlen und Erfahrungen konfrontiert zu werden. Sehr empathisch und besonders erzählen davon die Titel, die mit dem Luchs des Jahres 2024 von Radio Bremen und der ZEIT ausgezeichnet wurden. Worteweberin Annika ist mit ihnen in die Vergangenheit gereist.

Im Band „Fucking fucking schön“ versammelt Eva Rottmann zehn Kurzgeschichten über erste Male: sei es der erste Kuss, der erste Solo-Sex, der erste Besuch im Sex-Shop, die erste Verliebtheit und vieles mehr. Rund um diese Geschichten stehen kurze Vor-, Zwischen- und Nachspiele, die weitere Perspektiven auf das Thema werfen und in Zusammenarbeit mit Jugendlichen entstanden sind, wie die Danksagung verrät.

Scham und Mut

In den Geschichten kommen homo- und heterosexuelle Figuren sowie eine nonbinäre Figur selbstverständlich vor. Längst nicht alle beschriebenen Gefühle werden erwidert oder sind für beide Partner*innen schön – es geht um Scham, Unsicherheit und die ganz großen Fragen, die sich wohl jede*r zwischen 14 und 20 Jahren stellt.

Eva Rottmann zeigt, wie individuell Sex und Lust sind, und macht Mut, sich in den Figuren wiederzufinden und mit ihnen auf Entdeckungsreise zu gehen. Der Ton, den sie dafür gefunden hat, ist unverblümt, locker und zeitgemäß. Alle Figuren haben ihre ganz eigene Stimme, aber sie alle sind gegenwärtig und holen nicht nur mich als erwachsene Leserin ab. Längst nicht alle sind sympathisch, viele treffen falsche Entscheidungen oder verletzen die anderen, aber sie alle sind authentisch.

Die zehn Protagonist*innen im Buch stehen, das zeigt sich nach und nach, miteinander in Beziehung und es entspinnt sich ein Netz aus Geschichten, Gefühlen und Verletzungen quer durch die Kleinstadt – ein Panorama jugendlicher Gefühlswelten. Die gekritzelte Übersichtskarte in den Buchdeckeln gibt darüber herrlich rotzigen Aufschluss.

Und jetzt?

Im zweiten mit dem Jahresluchs ausgezeichneten Titel „Outline“ erzählt Michèle Fischels in Form einer Graphic Novel vom letzten Schuljahr vor dem Abitur und den Erlebnissen einer Freundesgruppe, die im Wirrwarr aus Zukunftsängsten, Prüfungsstress und Gefühlschaos auseinanderzubrechen droht.

Dass Clara und Ben jetzt ein Paar sind, macht es für Andreas noch schwerer, die Freundschaft aufrechtzuerhalten, während er mit seinem Coming-out und einer toxischen Beziehung beschäftigt ist. In kurzen Szenen der Stufenfahrt nach Italien ans Meer, von Partys, Gesprächen und Prüfungen fliegen die Leser*innen durch dieses eine Jahr der Umbrüche. Michèl Fischels gelingt es, in skizzenhaften Zeichnungen viele Emotionen und Stimmungen zu transportieren, an die Heranwachsende genauso anknüpfen können wie längst Erwachsene, die sich in die eigene Jugend zurückversetzt fühlen.

Beide Titel, die mit dem Luchs des Jahres ausgezeichnet wurden, erzählen intensiv von der Adoleszenz, von Liebe, Lust und Angst gleichermaßen. Dass mit „Fucking fucking schön“ und „Outline“ erstmals gleich zwei Titel mit dem Preis ausgezeichnet wurden, leuchtet definitiv ein. Mutig und innovativ beleuchten sie wichtige Themen für Jugendliche, aber auch Erwachsene.

  • Fucking fucking schön. Eva Rottmann. Jacoby & Stuart. 2024. Ab 14 Jahren.
  • Outline. Michèl Fischels. Reproduct. 2024. Ab 14 Jahren.
Annika Depping

Annika Depping

Als Chefredakteurin versucht Annika in der Bücherstadt den Überblick zu behalten, was mit der Nase zwischen zwei Buchdeckeln, zwei Kindern um die Füße und dem wuchernden Grün des Kleingartens im Nacken nicht immer einfach ist. Außerhalb der Bücherstadt ist Annika am Literaturhaus Bremen mit verschiedenen Projekten ebenfalls in der Welt der Geschichten unterwegs.

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