Weihnachtszeit ist immer auch Märchenzeit, findet Worteweberin Annika. Mit „Grimms schönste Märchen“ in der Nacherzählung von Elli Woollard hat sie ein modernes Märchenbuch für Kinder unter die Lupe genommen.
Für ihre Sammlung hat Elli Woollard die fünf Märchen „Rotkäppchen“, „Der Schuster und die Wichtel“, „Hänsel und Gretel“, „Die Bremer Stadtmusikanten“ und „Aschenputtel“ ausgewählt. Das ist meiner Meinung nach eine gelungene Zusammenstellung, die über die von Disney adaptierten Prinzessinnenmärchen hinausgeht. „Der Schuster und die Wichtel“ kannte ich bisher noch gar nicht, mochte die herzerwärmende Geschichte über zwei kleine Helferlein aber direkt.
Neuer Blick
Elli Woollard und der Übersetzerin Cornelia Boese gelingt ein frischer Umgang mit den alten Texten. Dadurch gehen die Reime beim Vorlesen flott über die Lippen. Auch wenn hier auch ältliche Begriffe wie „Bube“ und „oh Graus“ verwendet werden, ist die Sprache doch modernisiert und es gibt Einsprengsel wie „wow!“ oder „clever“. Für junge Leser*innen dürften diese Elemente heutiger Sprache weniger wie ein Bruch, sondern vielmehr wie ein Anker in der Gegenwart wirken. Besonders lustig erzählt ist „Rotkäppchen“ aus der Perspektive des Wolfs:
„Er rannte ins Schlafzimmer, dachte: ‚Schleck, schleck!‘,
ein mächtiger HAPS – und die Oma war weg.“ (S. 17)
Die Autorin traut sich, die Texte inhaltlich anzupassen. Im Original besonders grausige Textstellen werden hier etwas abgemildert. So schneiden sich Aschenputtels Stiefschwestern nicht gleich die Zehen ab, um in den Schuh zu passen, sondern zwängen sich „nur“ herein. Aus dem Jäger in „Rotkäppchen“ wird eine Jägerin. Dadurch setzen sich hier drei Frauen gegen den Wolf durch, was ich sehr erfrischend und passend finde. Des Weiteren erlaubt Woollard sich die Frage, ob Rotkäppchen wirklich nie wieder vom Weg abkommen wird – und ob nicht gerade neben den Wegen die spannendsten Abenteuer warten. An dieser Stelle zeigen die Illustrationen Rotkäppchen und einen lässig am Baum lehnenden Bären.
Bunt und vielfältig
Die farbenfrohen Illustrationen von Marta Altés harmonieren gut mit den modernen, frischen Märchentexten. Die Figuren treten in Kleidung auf, die märchenhaft, aber nicht altertümlich wirkt. Anhand der Mimik kann man sowohl den Menschen als auch den Tieren stets gut ansehen, wie sie sich gerade fühlen, was Kindern beim Nachvollziehen der Geschichten hilft. Mir gefällt außerdem gut, dass hier nicht nur weiße Figuren, sondern auch People of Colour gezeigt werden. Obwohl Schwarze Prinzen in Europa zu Grimms Zeiten nicht zum Alltag gehörten, ist die abgebildete Vielfalt für Kinder heute doch so normal wie der Gebrauch von Ausdrücken wie „cool“ oder „wow“ – und das darf ein Märchenbuch gerne spiegeln.
Der Band „Grimms schönste Märchen“ wird durch einige Informationen über Jacob und Wilhelm Grimm und die Entstehung der Märchensammlung abgerundet. Insgesamt ist das Buch ein toller Einstieg in die Welt der Märchen und damit auch ein super Weihnachtsgeschenk.
Grimms schönste Märchen. Elli Woollard. Übersetzung: Cornelia Boese. Illustration: Marta Altés. Ars Edition. 2022.
[tds_note]Ein Beitrag zum #litadvent. Alle Beiträge findet ihr hier.[/tds_note]
0 Kommentare