Galaxien, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat

von | 08.05.2017 | Digitale Spiele, Entscheidungsbasierte Spiele, Spielstraße

Obwohl es sich bei „Mass Effect: Andromeda“ um den vierten Teil der Space-Opera Saga handelt, verbindet nur wenig die Handlung von „Andromeda“ mit der Trilogie. Bevor die Milchstraße die dräuende Gefahr durch die Maschinenrasse der „Reaper“ gewahr wird, verlassen fünf Archen die heimatliche Galaxie, um in Andromeda eine neue Heimat zu finden. – Von Codejäger Peter

Turians, Humans, Asari, Quarians und Salarians machen sich auf, um als Entdecker und Kolonisten die ferne Galaxie zu besiedeln und erwachen nach sechshundert Jahren im Kälteschlaf, um ihre auserwählten „Golden Worlds“ unbewohnbar vorzufinden. Die Spielenden schlüpfen fortan in die Rolle von entweder Sara oder Scott Ryder, um die feindseligen Welten in ihrer Rolle als „Pathfinder“ für die Neuankömmlinge bewohnbar zu machen.

Reform statt Revolution

„Mass Effect: Andromeda“ verfolgt einen gänzlich anderen Handlungsansatz als die vorherigen Teile der Reihe, ohne dabei deren wichtigste Aspekte zu vernachlässigen. Immer noch ziehen die Spielenden mit einer Gruppe von Begleitern in den Kampf, bereisen die Galaxie an Bord ihres eigenen Schiffes und treffen Entscheidungen, die den weiteren Gang des Geschehens beeinflussen. Zu den bereits bekannten Spielmechaniken gesellen sich jedoch ein rundum erneuertes dynamischeres Kampfsystem, komplexer Waffen- und Rüstungsbau sowie Management-Elemente (zum Beispiel die Entscheidung darüber, welche Gruppe von Kolonisten aus dem Kälteschlaf geweckt werden soll). Jede erledigte Aufgabe trägt zum „Viabillity“-Wert der Galaxie bei, was selbst kleinen Nebenaufträgen ein angenehmes Gewicht verleiht.

Neue Blickwinkel

Die Handlung dreht sich neben der Kolonisation neuer Planeten vor allem um die drei Alienrassen, welche den Reisenden aus der Milchstraße bei ihrer Ankunft begegnen. Die friedfertigen aber misstrauischen „Angarans“, die feindseligen Antagonisten „Kett“ und die Überbleibsel einer der lange vergessenen Rasse, den „Remnant“. So wird bald der Aufbau von Kolonien angesichts des Überlebenskampfes zur Nebensache. Die Kett entführen und transformieren andere Rassen, während die Maschinen der Remnant Welten bewohnbar zu machen scheinen.

Bald schon stellen sich Fragen nach der Herkunft des Lebens selbst und die Frage, wie mit einer Macht, welche Planeten formen und zerstören kann, umzugehen ist. Die große Stärke bildet dabei die Riege der Charaktere, die ein großes Persönlichkeitenspektrum abdeckend, die Menschlichkeit in einer Geschichte solch epischer Ausmaße verdeutlicht. Störend dabei sind jedoch leider immer wiederkehrende Aussetzer der Gesichtsanimationen (welche dem Gebrauch automatisierender Animationssoftware zuzuschreiben sind) und die ein oder andere, scheinbar aus dem Kontext gerissen, aufgezeichnete Dialogzeile sowie eine Vielzahl kleinerer Bugs und Fehler.

Die Fragen einer neuen Welt

Alles in allem kommt niemals, wie es noch in den ersten drei Teilen der Fall war, das gewohnte Gefühl von Tragweite auf. Die Handlung von „Andromda“, trotz der Größe und Spielzeit (mit etwa 60 Stunden beinahe so lange, wie alle vorherigen Teile zusammen) bewegt sich scheinbar eher im Bereich eines ersten Teils einer weiteren Trilogie. Viele Fragen bleiben bis zum Ende unbeantwortet, obwohl die Auflösung dennoch befriedigend ist. Es scheint einfach noch mehr zu geben und das macht Lust auf eine Fortsetzung.

Was die philosophischen Fragestellungen des „Mass Effect“-Universums betrifft, bleibt die Bandbreite enger als frühere Iterationen, da sich einige Fragen der Vorgänger wiederholen, ohne ihnen viel Neues hinzuzufügen. Trotzdem können die gänzlich neuen Aspekte, beispielsweise die Frage nach der Bedeutung von Heimat und Herkunft, nach kolonialer Expansion und Spannungen zwischen Rassen, das Geschehen tragen und die stärkere Charakterzeichnung des Protagonisten/der Protagonistin (ob Sara oder Scott) stechen positiv hervor.

Natürlich gibt einem das Spiel, so wie jede Bioware Produktion, die Möglichkeit eine (oder mehrere) romantische Verhältnisse einzugehen, die meist von der Kritik ins Zentrum der Betrachtungen gerückt werden. Jedoch zu Unrecht, da sie weder im Fokus der Handlung noch der Spielmechaniken stehen und obwohl so manche Liebesszene eher peinlich oder gar ungewollt geschmacklos daherkommt. Das Romantische wird stets mit einem Augenzwinkern präsentiert und so sei wohl auch der beschränkte Einfluss auf Charaktermotivationen und Handlungsverlauf verziehen.

Es ist Teil des Weltenbaus und der Stimmung, wenn uns beispielsweise eines der Crewmitglieder mit „Darling“ anspricht und in extra Szenen der eigenen Familie vorstellt. Wenn das auch schon alles zu sein scheint, fügt es doch den Charakteren etwas Tiefe hinzu. „Andromeda“ hält stets die Balance zwischen düsteren, dramatischen Elementen und humorvoll leichteren Passagen. Leider bleiben dabei die Antagonisten charakterlich blass und austauschbar, obwohl ihre Motive und Herkunft viele Möglichkeiten interessanterer Herangehensweisen eröffnen.

Der Heimat so fern?

„Andromeda“ ist keinen Quantensprung von seinen Vorgängern entfernt, weder im positiven noch im negativen Sinne, dennoch können Probleme auf technischer wie erzählerischer Ebene nicht geleugnet werden. Doch das Spiel versucht genug Neues und geht an den richtigen Stellen narrative Risiken (wenn auch nicht immer erfolgreich) ein, sodass sich bei Beendigung ein angenehmes Gefühl von Erfolg einstellt und genug Ansätze zum Nachdenken zurückbleiben. Und so viel sei verraten, das Finale beinhaltet keine dreifarbige Entscheidung.

Mass Effect: Andromeda. Bioware. Electronic Arts. Veröffentlichung: 2017. Genre: Actionrollenspiel. Singleplayer. Spielzeit: ca. 60 Stunden, FSK16.

Mehr über Mass Effect erfährst du in unserer Reihe um entscheidungsbasierte Spiele.

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