Mord mit Ankündigung

von | 20.05.2024 | Belletristik, Buchpranger

Sowohl in der Neuauflage des Krimiklassikers „Und dann gab’s keines mehr“ als auch in der Neuerscheinung „Das Mörderarchiv“ werden die Opfer im Voraus über ihren bevorstehenden Tod durch Mord informiert. Seitentänzerin Michelle-Denise hat versucht, die komplexen Fälle zu lösen.

„Und dann gab’s keines mehr“

Zehn Männer und Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, machen sich auf den Weg zu einer abgeschiedenen Insel namens Soldier Island. Nicht ahnend, was sie dort erwarten wird, folgen sie der Einladung eines gewissen U. N. Owen. Als sie in seinem Haus ankommen, lässt der Gastgeber jedoch auf sich warten. Stattdessen ertönt aus dem Grammophon eine anklagende Stimme, die nichts Gutes verheißen mag. Während daraufhin ein Gast nach dem anderen unter mysteriösen Umständen verstirbt, versuchen die Verbliebenden, der Mordserie auf den Grund zu gehen.

„Und dann gab’s keines mehr“ von Agatha Christie ist der meistverkaufte Kriminalroman aller Zeiten. Seit 2003 gibt es das Buch in zeitgemäßer Neuübersetzung und unter neuem Buchtitel. Christie hat in ihrem Roman eine Kriminalgeschichte um den Abzählreim „Zehn kleine Kriegerlein“ geschaffen, in dem eine Person nach der anderen auf unerklärliche Weise verstirbt. Wissentlich, dass alle Anwesenden auf der Insel gefangen sind und alle nacheinander sterben werden, nimmt die Geschichte dadurch rasant an Fahrt auf. Die Erzählzeit erstreckt sich über circa 4 Tage, aber es kam mir tatsächlich viel kürzer vor. Kaum ist ein Mord begangen, ist wenig Zeit zur Aufklärung, denn schon gibt es das nächste Opfer.

Durch die Masse an Protagonisten und Protagonistinnen, deren Lebensgeschichte und Verhalten man während des Lesens genau studieren muss, um auch nur annähernd eine Chance zu haben und die Mordserie zu lösen, habe ich zunächst den Überblick verloren. Nach und nach wurden die Figuren jedoch weniger und so konnte ich mich auf die Verbliebenen besser konzentrieren. Obwohl ich mein Bestes zur Lösung der Fälle gegeben habe, bin ich gescheitert. Auf Christies grandiose Auflösung wäre ich niemals gekommen. „Und dann gab’s keines mehr“ ist durch die Neuübersetzung, die die unangemessene Verwendung des N-Wortes aus der Originalausgabe durch Kriegerlein ersetzt, ein zeitloser Klassiker, der bis zur letzten Seite die Spannung hält.

„Das Mörderarchiv“

Als Frances Adams mit 17 Jahren auf dem Jahrmarkt bei einer Wahrsagerin ist, sagt diese ihren Tod durch Mord voraus. Frances glaubt an diese Wahrsagung, auch wenn alle anderen sie dafür belächeln. Sechzig Jahre später wird sie tatsächlich ermordet. Aber Frances hat vorgesorgt und ein umfangreiches Archiv über alle Bewohner von Castle Knoll angelegt, die als potentielle Mörder infrage kommen könnten. Nun liegt es an Annie, den mysteriösen Mord an ihrer Tante aufzuklären.

Mit dem Wissen zu leben, dass man durch Mord ums Leben kommen wird, ist nicht leicht. Frances Adams nimmt deshalb die Aufklärung ihres eigenen zukünftigen Mordfalls selbst in die Hand, um eine Chance zu haben, diesen zu verhindern. Unzählige Notizen, Fotomaterial und Collagen füllen nach und nach ihr Archiv. Diese innovative Herangehensweise an einen zukünftigen Mordfall hat direkt mein Interesse geweckt. Die Autorin Kristen Perrin lässt dabei die verstorbene Tante Frances durch Tagebucheinträge wieder lebendig werden und ihre eigene Geschichte erzählen. Derweil versucht Annie in der Gegenwart, das komplexe Rätsel um den Mord an ihrer Tante mit Hilfe von Frances Aufzeichnungen unter enormem Zeit- und Leistungsdruck zu lösen. Sowohl Annie als auch Frances habe ich als interessante Charaktere wahrgenommen, die sich mir/den Leser*innen nicht sofort erschließen.

„Das Mörderarchiv“ ist ein Kriminalroman um Freundschaft, Liebe und Verrat. Durch den bildhaften Schreibstil war es für mich ein Leichtes, mich in die Zeitsprünge einzufinden und der Rückblenden zu folgen. Trotz der vielen Hinweise war es mir nicht möglich, selbst den Fall zu lösen und ich war über die rückblickend sehr naheliegende Auflösung recht verblüfft.

  • Und dann gab’s keines mehr. Agatha Christie. Übersetzung: Eva Bonné. Atlantik. 2023.
  • Das Mörderarchiv. Kristen Perrin. Übersetzung: Susann Rehlein. Rowohlt Polaris. 2024.
Michelle-Denise Oerding

Michelle-Denise Oerding

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