Müsli mit Apfelsaft

von | 05.03.2023 | Buchpranger, Kinder- und Jugendbücher

Er möchte die Milch aus der Apfelsaftflasche in sein Müsli, fliegt mit seinem besten Freund Jonte zum Mond und reitet auf der Schokoachterbahn: In „Bosco Rübe rast durchs Jahr“ von Finn-Ole Heinrich und Dita Zipfel begleiten Worteweberin Annika und ihr Sohn einen Dreijährigen – und müssen beide herzlich lachen.

Bosco rast in den ein bis sechs Seiten kurzen Geschichten mit Vollgas auf seinen vierten Geburtstag zu: Da werden Adventskalender ausgepackt, es wird die Oster-Brotschmierweltmeisterschaft vorbereitet und der Sommer wird mit Wasserschlachten begrüßt. Die Jahreszeiten bilden so den Rahmen des Buches, ohne bloß kalendarische Meilensteine wie Weihnachten, Karneval oder Ostern abzubilden. Stattdessen sind es Boscos alltägliche Erlebnisse, die erzählt werden: Spiele mit Freunden, die Vorfreude auf gemeinsames Kletterbrokant-Essen, Angst vor Krebsscheren in der Nacht und die Freude, in die Mama-Wolke einzutauchen. Gleich die erste Geschichte von der Nacht nach Boscos drittem Geburtstag zeigt, was dieses Buch so besonders macht:

„Bosco steht noch mittendrin im Gestern, in seinem großen dritten Geburtstag. (…) Da stehen noch die Teller, da liegen die Geschenke, Kumpel Ökkel lehnt an der Gießkanne für Kakao, neben ihm ein Luftballon, Konfetti überall. (…) Bosco fühlt, wie seine Augen nass werden. Wie am Ende vom Lieblingslied.“ (S. 4)

Gefühlschaos

Das Duo Finn-Ole Heinrich und Dita Zipfel erzählt ganz nah am Erleben und an den Emotionen des Kindes. Die beiden schildern zum Beispiel Boscos Wut, als Justin einen Roller zum Geburtstag bekommt und Bosco plötzlich sicher ist, das müsse sein Roller sein. Und wie er kurz darauf vor Lachen unter dem Tisch liegt, weil die drohenden Regeln der Erwachsenen einfach bescheuert sind:

„‚Wer den Boden nicht isst, kriegt auch keinen Kuchen‘, sagt Baba. Sie sagt immer so Sachen, die ergeben überhaupt keinen Sinn. Wer den Kuchen nicht sieht, malt auch keine Wurst.“ (S. 17)

Angst, Wut, Freude und die ganz große Liebe liegen im Kinderleben nah beieinander und die Episoden laden die Kleinsten zum Mitfühlen ein und halten uns Vorleser*innen auch schon mal den Spiegel vor.

Zu Gast im Kinderhirn

Boscos aberwitzige Ideen, Wünsche und Wortkreationen wirken wie direkt einem Kinderhirn entsprungen (und immerhin haben die Autor*innen ein gemeinsames Kind). So habe auch ich als Mama beim Vorlesen ständig etwas zu lachen – und frage mich, ob das erzählte Kind wirklich „Bosco“ heißt oder nicht doch mein eigener Zwerg ist, wenn Bosco sich zum Beispiel Müsli mit Apfelsaft wünscht, oder Joghurt, Zwiebeln und Mandelmus auf sein Brot schmiert…

„Bosco möchte Müsli ohne Milch. Und Apfelsaft MIT. Einen großen Teller, einen kleinen Löffel. Nicht das Glas mit dem Elefanten, der guckt komisch. (…) Das Brot für Mama soll nicht getoastet werden. Papa soll heute auf Rosas Stuhl sitzen und Rosa auf Mamas und Mama auf Alvas. Der große Teller ist zu blau.“ (S. 10)

Natürlich kann an die Achterbahnfahrt des Rüben-Alltags auch das Kind direkt anknüpfen und lacht herzlich über „Blaubeerkakaeis“ und „Eierfeuer“. In den ganz besonderen Ton der Sprache von Dita Zipfel und Finn-Ole Heinrich haben wir uns schon in vorherigen Titeln wie „Trecker kommt mit“ oder „Monsta“ verliebt. Auch in „Bosco Rübe rast durchs Jahr“ erzählen die beiden herrlich frech und echt.

Die Welt der Rüben

Die Figurenwelt aus diesem Vorlesebuch haben Zipfel und Heinrich schon im Bilderbuch „Schlafen wie die Rüben“ entwickelt. Sicherlich kann man die Namen der Figuren schneller zuordnen, wenn man schon in den Rüben-Kosmos hereingeschnuppert hat – immerhin warten lustige Namen wie „Ökkel“, Boscos Knoten-Kuscheltier, und die Figuren werden oft nebenbei oder erst im Nachhinein eingeführt. Aber mein Sohn und ich kamen trotzdem gleich gut in den Geschichten an, auch wenn wir „Schlafen wie die Rüben“ nur vor einigen Monaten aus der Bücherei ausgeliehen hatten.

„Bosco Rübe rast durchs Jahr“ hat das Kind und mich so begeistert, dass wir nicht Abend für Abend ein bis zwei Geschichten gelesen haben, sondern an zwei Nachmittagen in Folge durch das ganze Buch gerast sind, zu unseren Lieblingsgeschichten immer wieder zurückblätternd. Dieses Vorlesebuch ist ein Schatz für alle Familien. Weil: chaotisch, berührend, wahrhaftig, lustig und ungemein aberwitzig!

Bosco Rübe rast durchs Jahr. Vorlesegeschichten für alle ab 3. Text: Dita Zipfel & Finn-Ole Heinrich. Illustration: Tine Schulz. Mairisch. 2022.

Annika Depping

Annika Depping

Als Chefredakteurin versucht Annika in der Bücherstadt den Überblick zu behalten, was mit der Nase zwischen zwei Buchdeckeln, zwei Kindern um die Füße und dem wuchernden Grün des Kleingartens im Nacken nicht immer einfach ist. Außerhalb der Bücherstadt ist Annika am Literaturhaus Bremen mit verschiedenen Projekten ebenfalls in der Welt der Geschichten unterwegs.

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