Nackt in Youkali

von | 21.03.2023 | Bilderbücher, Buchpranger

Er ist wohl der berühmteste Nackedei der Kinderliteratur: der Kaiser. „Des Kaisers neue Kleider“ bekommt in der Fassung von Folker Banik ein neues Gewand. Auch wenn dabei einige Nähte schief sitzen, passt es doch gut, findet Worteweberin Annika.

„Des Kaisers neue Kleider“ ist ein Kunstmärchen von Hans Christian Andersen, das Schläue und Witz feiert und ohne die Brutalität vieler Grimm-Märchen auskommt. Folker Banik fügt der Geschichte um einen Kaiser, der sich an der Nase herumführen lässt, eine weitere Ebene hinzu. Der Kaiser, gefangen in einem goldenen Käfig, hat keine Freunde, dafür aber jeden Tag einen anderen Wichtigsten Minister, der ihm nach dem Mund redet. Da tauchen X und Y im Land Youkali auf. Sie versprechen nicht nur ganz besondere Kleider, sondern auch Spaß, das spürt der Kaiser sofort. Dass sie ihn schließlich ohne Kleider durch die Stadt laufen lassen, geschieht aus gutem Grund: Sie wollen ihren alten Freund zurückgewinnen.

Fabulier-Lust

Folker Banik arbeitet mit viel Fabulier-Lust am Andersen-Märchen. Der Welt Youkali fügt er fantastische Elemente hinzu – Kleidung, die nach Schokolade duftet, Büsche, die ihre Form verändern … Für die Story spielt das Fantastische der Welt aber keine Rolle, was irritierend wirkt. Lieber hätte er den goldenen Käfig des Kaisers und dessen Selbstüberschätzung für Kinder besser herausarbeiten sollen. Das gelingt ihm in Bezug auf die Freundschaftsgeschichte gut. In Träumen erinnert sich der Kaiser daran, dass er einmal Freunde hatte. Jetzt ist er einsam. Dabei bräuchte er dringend jemanden, der ihn erdet, ihm erzählt, dass man keine 27 Pfannkuchen frühstücken kann, ohne Bauchweh zu bekommen, oder mit ihm Abenteuer erlebt – auf Augenhöhe. Das Ende der Geschichte überrascht dadurch nicht. Einige andere Handlungen des Kaisers fand ich dagegen schwer nachzuvollziehen. So fragte ich mich zum Beispiel, wieso er nicht selbst nachschauen geht, was in der Stadt los ist, anstatt vom Stadttor aus zurück nach Hause zu laufen, um dort auf seinen Minister zu warten?

Neues Kleid

Banik verortet die Geschichte vom Kaiser gewitzt in der großen Märchenwelt – in der Grimm’schen übrigens, wohl da bekannter:

„Hinter den Sieben Bergen, weit hinter den Sieben Zwergen, noch bei Dornröschen vorbei, die übrigens ihre Hecke wieder einmal schneiden sollte, bei Hänsel und Gretel links und immer weiter geradeaus – so kommt ihr in ein sehr besonderes Land. Es heißt: Youkali, das Land der Kleider.“

Der Ton der Geschichte ist locker. Er verbindet eine moderne Sprache mit einigen eher märchen-typischen Formulierungen. Die Texte sind relativ lang und erfordern etwas Konzentration beim Zuhören, doch durch die Illustrationen gibt es genug zu sehen. Die Bilder von Almud Kunert fangen das Kindlich-Naive des Kaisers toll ein. Sie wirken modern, sind farbstark und vermitteln ein gutes Bild von Youkali, wie Banik es in der Geschichte entwirft. Alles in allem ist Folker Baniks „Des Kaisers neue Kleider“ eine schöne Märchenadaption mit ein paar Schwachpunkten, aber auch mit Stärken.

Des Kaisers neue Kleider. Text: Folker Banik. Illustrationen: Almud Kunert. Kindermann Verlag. 2023. BK-Altersempfehlung: Ab 4 Jahren oder früher.

Mehr über den Kindermann Verlag könnt ihr im Interview nachlesen.

Annika Depping

Annika Depping

Als Chefredakteurin versucht Annika in der Bücherstadt den Überblick zu behalten, was mit der Nase zwischen zwei Buchdeckeln, zwei Kindern um die Füße und dem wuchernden Grün des Kleingartens im Nacken nicht immer einfach ist. Außerhalb der Bücherstadt ist Annika am Literaturhaus Bremen mit verschiedenen Projekten ebenfalls in der Welt der Geschichten unterwegs.

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