Pointiert, geradlinig und praxisorientiert: Das Antirassismus-Handbuch „No to racism“ von der norwegischen Autorin Tinashe Williamson verdeutlicht anschaulich und leicht verständlich, was Rassismus für Betroffene bedeutet und warum wir klar NEIN dazu sagen müssen. – Von Satzhüterin Pia
„No to racism“ richtet sich an (ältere) Kinder und Jugendliche. Das bunt illustrierte und auch für „lesefaulere“ Menschen attraktiv aufbereitete Buch setzt auf einen lebendigen, personenbezogenen Gesprächscharakter. Es werden Fragen gestellt und beantwortet, persönliche Geschichten erzählt und gut greifbare Beispiele aus dem Leben herangezogen, um Rassismus und die dahinterstehenden Strukturen greifbar zu machen.
Die Hauptpersonen neben Tinashe Williamson selbst sind die (fiktiven?) jugendlichen Norweger:innen Thandie, Vegard, Vaishali, Linda, Jasmine, Sammy, Zack und Fatima. Sie alle haben zum Großteil unterschiedliche Wurzeln, aber nicht alle von ihnen sind von Vorurteilen betroffen oder erleben Rassismus. Die Autorin spricht mit dieser Gruppe unterschiedlicher Jugendlicher über Rassismus, sie verdeutlicht, was dahintersteckt und zeigt auf, was man diesem tief verwurzelten Konstrukt wie entgegenbringen kann. Gekonnt bricht Williamson, die selbst simbabwische Wurzeln hat, dieses komplexe Thema verblüffend kurzweilig auf die Lebenswelt Jugendlicher herunter.
Das Frage-Antwort-Spiel
Der Abwehrhaltung, mit der weiße Menschen überwiegend auf Rassismus reagieren (man kennt es, wenn man sich mit dem Thema etwas beschäftigt hat: nur schlechte Menschen seien Rassisten, man selbst auf keinen Fall, man sehe ja keine Hautfarben und überhaupt sei es einem ja egal, ob der Mensch nun grün oder blau ist etc.pp.), beugt Williamson unmittelbar vor, indem sie auf entwaffnende Art Dialoge aufstellt, in denen es nie um Schuldzuweisungen geht. Die Figuren ihres Buches stellen Fragen und antworten sich gegenseitig oder die Autorin selbst ergreift das Wort. Welche Fragen schmerzen warum, wie kann man etwas sagen, ohne das Gegenüber zu verletzen und wann sind welche Fragen wiederum okay?
Die immer beliebte, weil immer aktuelle Frage danach, woher jemand denn käme, wird hier zum Beispiel mit persönlichen Geschichten aufgegriffen und die Problematik damit schnell greifbar gemacht: Linda, eine blonde Norwegerin, die mit fünf Jahren aus Schweden einwanderte, fragt unsicher, ob es nicht okay sei, danach zu fragen, wo jemand herkommt, sie interessiere sich doch so für Erdkunde. Thandie hat simbabwische Wurzeln und lebt seit ihrer Geburt in Norwegen. Sie antwortet, dass es völlig in Ordnung sei und darauf ankäme, wie man die Frage stellt:
„Wenn mich jemand fragt Woher kommst du wirklich?, fühlt sich das an, als würde ich hier nicht hingehören. Als wäre ich nicht norwegisch genug. Aber wenn du mich fragst: Wo liegen deine Wurzeln?, fühle ich mich norwegisch und besonders, auf eine gute Art. Es ist die gleiche Frage, nur anders formuliert. Verstehst du den Unterschied?“ (S. 29 f)
Im gleichen Zuge geht es um Sprache: Thandie, die ihr Leben lang in Norwegen lebt, wird ob ihrer guten Sprachkenntnisse gelobt. Linda, die erst mit fünf Jahren ins Land kam, bekommt dieses „Lob“ nie zu hören. Mit einfachen und gut greifbaren Beispielen demontiert die Autorin vermeintlich gutmütige Beweggründe.
Geschichtswissen und Hintergründe
Ergänzt werden die eher persönlich gehaltenen Beispiele durch Worterklärungen wie (struktureller) Rassismus, Sklaverei, Stereotyp oder white privilege. Die Autorin verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Kolonialismus, Sklaverei und Rassismus und gibt in pointierten Texten essentielle Impulse und Tipps. Wie zum Beispiel am Ende, wie denn die Jugendlichen gute „Allys“ sein können, also unterstützende Personen für betroffene Menschen. Sehr gut gefallen hat mir auch der Part über Familien: Sich argumentativ gegen fremde Menschen zu stellen oder Leute, die einem zumindest emotional wenig oder nichts bedeuten, ist eben das eine. Was aber ist mit der Oma? Oder einem Onkel, den man gerne hat?
So bunt wie das Cover ist auch der Inhalt des Buches. Durch die überwiegend sanften Farben wirkt es aber nicht überladen und mit den vielen gezeichneten Menschen ist der Inhalt auch auf bildlicher Ebene nahbar gestaltet. Die kleinen oder auch großflächigeren Illustrationen lockern die Seiten dynamisch auf.
„No to racism“ ist praxisnah, impulsgebend und durch den angepassten Inhalt, beziehungsweise Text, sehr gut für junge Leser:innen in Deutschland geeignet. Ob als private Lektüre oder gar im Unterricht in der Schule ist dabei egal – wobei sich durch den Gesprächscharakter und die praxisnahen Aufgaben besonders das gemeinsame Durchlesen in Gruppen anbietet.
No to racism. Das Antirassismus-Handbuch. Tinashe Williamson. Illustration: Thea Jacobsen. Aus dem Norwegischen von Stefan Pluschkat. Sauerländer. 2022.
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