Parasiten, die andere Lebewesen befallen, deren Gehirn zerstören und das Verhalten lenken: den „Ophiocordyceps“ gibt es wirklich. In „Die Berufene“ von M.R. Carey werden Fakten und Fantasie vermischt – was dabei herausgekommen ist, erzählt euch Bücherstädterin Janna.
Melanie, 10 Jahre alt, lebt auf einer Militärbasis in Großbritannien mit mehreren anderen Kindern zusammen. Jedes Kind hat eine Zelle, die immer von Soldaten und dem Sergeant überwacht wird. Dazu werden sie von verschiedenen Lehrern unterrichtet. Aber nicht so wie wir es alle aus der Schule kennen, sondern immer fixiert an einem Rollstuhl. Einmal in der Woche gibt es die „Fütterung“ und die „Chemie-Dusche“.
Nach und nach erfährt man, dass Melanie und die anderen Kinder keine gewöhnlichen Kinder sind. Der Sergeant und die Soldaten nennen sie die „Hungernden“. Die Kinder sind von einem Parasiten befallen, der ihr Gehirn zerstört. Dieser Parasit sorgt dafür, dass sein Wirt Futter liefert und keinen eigenen Willen mehr hat. Der Wirt stirbt innerlich, seine Hülle geistert umher, stetig auf der Suche nach Fleisch, um den Parasiten am Leben zu erhalten.
Melanies Lieblings-Lehrerin, Miss Justineau, erkennt, dass diese Kinder nicht wie die Hungernden sind. Denn diese Kinder haben eine eigene Gefühlswelt und auch eigene Erinnerungen. Gemeinsam flüchten Melanie und Miss Justineau mit der Wissenschaftlerin Dr. Caldwell und zwei Soldaten vor den Hungernden, die den Militärstützpunkt gestürmt haben. So begeben sie sich in das Land der Hungernden, suchen einen Unterschlupf und versuchen einen Weg zu finden, die Menschen zu retten.
Die meisten Geschichten, in denen Zombies auftreten, sind eher unrealistisch geschrieben, aber diese hier erscheint einem glaubwürdig. Der Leser erfährt, wieso die „Hungernden“ so sind wie sie sind und an sich ist diese Geschichte dann völlig schlüssig. Denn den Parasiten „Ophiocordyceps“ gibt es tatsächlich. Diese Realität könnte vielen Lesern gefallen, denn, obwohl es eine erfundene Geschichte ist, ist dieser Teil des Romans nicht sehr weit hergeholt. Einige Leser könnten demnach im Zwiespalt von Faszination und Angewidertsein stehen.
Die Charaktere Melanie und Miss Justineau sind vom Autor recht gut ausgearbeitet. Über die anderen Charaktere wie die Wissenschaftlerin Dr. Caldwell sowie der Sergeant erfährt man allerdings nur wenig. Dr. Caldwell wirkt sehr kühl und wissenschaftlich und kommt mit ihren Fachbegriffen sowie ihrer kühlen Art eher unsympathisch rüber. Auch der Sergeant ist sehr distanziert, unheimlich sarkastisch und wirkt daher oftmals recht unsympathisch.
„Sergeant geht nach vorne, und dann tut er etwas wirklich Schreckliches. Er krempelt seinen Ärmel bis zum Ellenbogen hoch und hält Kenny seinen nackten Unterarm vors Gesicht. Seine Haut ist nur Zentimeter von Kennys Nase entfernt. Zuerst passiert nichts, doch dann spuckt Sergeant sich auf den Arm und rubbelt an ihm herum, als wollte er etwas abwischen.“ (Seite 23)
Die Protagonistin Melanie ist sehr intelligent und möchte Miss Justineau beeindrucken. Diese ist unheimlich nett und sieht das Gute in den Kindern. Sie versucht ihnen zu vermitteln, wo sie herkommen und sieht vor allem in Melanie etwas Besonderes.
„In gewisser Weise haben sich Melanies Gefühle für Miss Justineau an diesem Tag ebenfalls verändert. Nein, verändert eigentlich nicht, sie sind nur ungefähr hundertmal stärker geworden. Niemand auf dieser Welt kann auch nur annähernd so gut, nett und wundervoll sein wie Miss Justineau.“ (Seite 26)
Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven: aus der Sicht von Melanie, Miss Justineau, Sergeant Parks und Dr. Caldwell. Alles in allem ist „Die Berufene“ für alle etwas, die gerne fantastische Geschichten lesen. Das Buch enthält durchgehend einen Spannungsbogen und die Geschichte wirkt in sich schlüssig und realistisch.
Die Berufene, M.R. Carey, Droemer Knaur, 2014
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