OMNIS – ein Spiel für Sehende und Blinde

von | 29.08.2018 | #Kunterbunt, Specials, Spielstraße

„Blind ins Ungewisse“ erhält eine ganz neue Bedeutung bei „Omnis“, dem Spiel für Sehende und Blinde. Wortklauberin Erika hat sich mit Verena und Magdalena aus dem Entwicklerteam getroffen, um über ihr Projekt zu sprechen.

Das Spielbrett sieht auf den ersten Blick ganz normal aus: Vier Arten von Spielsteinen, die mit unterschiedlichem Material beklebt sind, liegen verdeckt auf dem Feld. Man bewegt die eigene Figur darüber und sammelt diese vier verschiedenen Elemente. Ziel des Spiels ist es, die „Omnistase“ zu erreichen – dieselbe Anzahl jeder Art von Spielstein zu sammeln – und damit auf das große Feld in der Mitte zu ziehen.

Das Spiel ist eigentlich nicht als ein kompetitives Spiel gedacht, aber irgendwie doch, merken die beiden Spielentwicklerinnen Verena und Magdalena lächelnd an – sonst werde es schnell doch irgendwie langweilig.

Ein Spiel wie kein anderes

Auch sonst ist „Omnis“ ein Spiel, das es in diesem Format nicht gibt: Es wendet sich an Sehende und Blinde gleichermaßen, wobei sich Sehende, um richtig zu spielen, die Augen verbinden müssen.

Verena, Magdalena und Debbie – die dritte im Bunde – sind in ihrer Recherche zu Spielen für Blinde schnell auf ein zentrales Problem gestoßen: Die meisten Spiele sind nicht auf die Bedürfnisse von Blinden abgestimmt. Meistens werden Spiele für Sehende einfach adaptiert. Hinzu komme, dass Spiele für Blinde hässlich seien, erklären Verena und Magdalena in unserem Gespräch.

Debbie, Magda und Verena – eigentlich Debbie Fry, Magdalena Bock und Verena Edelbauer – haben OMNIS als Schulabschlussprojekt begonnen. Sie hatten an ihrer damaligen Schule, der Wiener Graphischen, einen Schwerpunkt auf Design: Deshalb war es besonders wichtig, ein grafisch und haptisch schönes Spiel zu entwickeln.

Ein ewiges „Work in Progress“

Dabei ist „Omnis“, das seinen Namen aus dem Lateinischen entlehnt, noch ein „Work in Progress“ (Stand: 2017). In der ersten Version war das Spiel noch kompakter und komplizierter, erzählen die beiden Jung-Entwicklerinnen: Alles war in einer Art ‚Schublade‘ geordnet, das Design stand im Vordergrund. Das Entwicklerteam, das das Spiel noch in Schulzeiten begonnen hat, hatte damals noch wenig Erfahrung mit den vielen Dingen, die beachtet werden müssen.

Zum Zeitpunkt unseres Treffens ist das Spiel in seiner dritten Version und verändert sich weiter. Fragen, die diese Veränderungen bestimmen, sind etwa: Wie erkennen Blinde, dass sie die Spielsteine umdrehen müssen? Ist das Spiel zu klein oder zu groß gehalten? Welche Materialien fühlen sich unterschiedlich genug an? Kann man Karten mit Braille-Schrift verwenden, oder lieber nicht?

Dabei spielen die Eindrücke von sehenden und blinden Spieletesterinnen und -testern eine große Rolle. Die aktuelle Version besteht aus Holzteilen, die in Eigenregie erstellt und veredelt wurden: „Blinde mögen Plastik vom Anfassen her nicht so gerne“, verraten Magdalena und Verena.

Ein voller Erfolg!

Die Idee der drei wurde schnell anerkannt – so schnell, dass sie noch vor der Matura (dem österreichischen Abitur) als Teil des Förderprogramms AWS First, das Junggründerinnen und -gründer finanziell unterstützt, gefördert wurden. Zugleich haben sich die drei mit „Omnis“ auch bei dem Wettbewerb „Jugend Innovativ“ angemeldet und in der Kategorie Design gewonnen. Der Erfolg kam rasant – so rasant, dass die drei neben der Abschlussprüfung einen Messestand vorbereitet haben.

Trotz der unerwarteten Hektik empfinden die drei die ganze Erfahrung als „super!“. Dabei haben sie nicht geglaubt, dass „Omnis“ auf so viel Interesse stoßen würde: Hinter dem Spiel steckt sehr viel, und es wurde auch schon ein Prototyp an einen Spieleverlag gesendet. Auch wenn der wirtschaftliche Faktor nicht zu vernachlässigen sei, verfolgen die drei nicht das Ziel, mit dem Spiel das große Geld zu machen.

Einen Prototyp zum Verkauf gibt es leider nicht: Die Produktion ist schwierig, die Auswahl der Materialien beschäftigt die drei bis heute – es ist nämlich wichtig, dass sie nicht zu schnell verschleißen, aber dennoch zusammenpassen.

Erfahrung mit dem Blindsein

Die erste Version des Spiels war stärker auf das Design ausgerichtet, aber noch nicht auf Blinde. Deshalb haben sich die drei Spieleentwicklerinnen mit Blinden selbst zusammengetan, um das Spiel für sie zu optimieren. Dabei sind sie auch auf ungeahnte Herausforderungen gestoßen. Die barrierefreie Gestaltung der Webseite etwa sei schwierig gewesen, da Lesehilfen Webseiten anders erfassen als das Auge.

Im Kontakt mit blinden Spieletesterinnen und -testern haben sie außerdem einige kuriose Entdeckungen gemacht. Als die drei das erste Mal in einem Blindenzentrum zu Besuch waren, ist ihnen ein Junge begegnet. Seine erste Frage war: „Seid ihr Sehende? Ich suche meine Sporttasche.“ Daneben sorgten einige Geräte für Erstaunen: Smartphones für Blinde und Lesegeräte für Farben seien „sehr kurios“. Auch fanden die drei ein Würfelgerät sehr spannend: Es sehe aus wie ein Walkman, auf dem verschiedene Programme ausgewählt werden können.

Leben vs. „OMNIS“

Nachdem das Team OMNIS als Abschlussprojekt erarbeitet hat, kommt ihnen doch auch das Leben dazwischen. Die Koordination von „Omnis“ und dem Studium – Magdalena ist in Belgien, Debbie in der Schweiz und Verena in Österreich – ist manchmal schwierig. Die totale Umstellung sei nach dem Schulabschluss gekommen. Es sei wichtig für die drei, alle Beschlüsse gemeinsam zu fassen. Mit der räumlichen Entfernung und unterschiedlichen Studienorten ist dies jedoch nicht immer ganz einfach. Deshalb haben die drei das große Projekt „Omnis“ auch vorerst eingestellt.

Und was für ein Buch wären die beiden des Omnis-Teams?

Magdalena: „Mein Lieblingsbuch – Die Stadt der Träumenden Bücher.
Verena: „Shades of Grey von Jasper Fforde. Ich mag neue Welten, die total lächerlich wirken, aber in sich alles Sinn ergibt. Dann gibt es total viele Anspielungen.“

 

Ein Beitrag zum Special #Kunterbunt. Hier findet ihr alle Beiträge.
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