„Wir wollten dem Leser so authentisch wie möglich das Gefühl von Verlorenheit in einer fremden Welt geben; eine Welt, die für Vasmer immer undurchsichtiger wird und ihn an Abgründe führt, denen er nicht mehr gewachsen ist.“
Seit der Vorstellung ihrer neuen Graphic Novel „Vasmers Bruder“, sind Peer Meter und David von Bassewitz im Stadtgespräch. In einem Interview erzählen sie von ihrer Recherchearbeit und den Hintergründen der Graphic Novel.
BK: Bei dem vielfachen Sinn hinter den Worten und Bildern der Graphic Novel, fragten wir uns: Steckt hinter dem Namen „Vasmer“ eine Geschichte? Wie ist es zu dem Namen „Vasmer“ gekommen?
PM: Wie es zu dem Namen „Vasmer“ kam, weiß ich nicht mehr. Sicher steckt auch eine Geschichte dahinter, aber ich habe sie vergessen.
BK: Die Panels in der Graphic Novel ähneln an manchen Stellen Film-Stils… Gibt es Filme, die Euch während der Arbeit inspiriert haben könnten? Könntet Ihr Euch vorstellen, die Geschichte einmal verfilmt zu sehen?
PM: Ich bin in meinen Szenarios immer sehr stark vom Film geprägt. Sicher ist aus vielen Filmen etwas mit eingeflossen. Hitchcocks „Psycho” wären wohl zu nennen und Roegs „Dont look now”. Über eine Verfilmung von „Vasmers Bruder” würden wir uns natürlich sehr freuen.
DvB: Ich habe einige Jahre sehr intensiv Filmwissenschaft studiert. Bildkomposition und Montage sind auch in der grafischen Erzählung die Werkzeuge des Erzählers. Die Erzählung selbst findet aber schließlich nicht auf der Leinwand oder auf dem Papier statt, sondern im Kopf des Betrachters. „Vasmers Bruder“ ist der Versuch, diese essentielle Erkenntnis der Filmwissenschaft für die Graphic Novel zu nutzen.
BK: David von Bassewitz, wie war es für Sie, vor Ort zu sein?
DvB: Ein sehr winterliches Abenteuer in einer schönen Stadt, in der das alte Münsterberg noch sehr präsent ist. Die Bildebene von „Vasmers Bruder“ ist geprägt von der Atmosphäre und den Eindrücken, die ich dort erlebt habe.
BK: Nicht zuletzt verschafft Ihre Mischtechnik der Geschichte besonderen Ausdruck und fesselt die Leser. Wie haben Sie diesen Stil entwickelt?
DvB: Ich habe für „Vasmers Bruder“ sämtliche erdenklichen Zeichen- und Maltechniken ausprobiert und war mit keinem Resultat zufrieden. Für das black.light-project der Kriegsberichterstatter Wolf Böwig und Pedro Mendes begann ich mit Toner und Nitroverdünner zu experimentieren, graulavierte Flächen zu erzeugen und darauf Zeichnungen mit Kohle und Kreide anzufertigen. Das Ergebnis war sowohl flächig, als auch dynamisch. Es hatte einen fast fotografischen, dokumentarischen Charakter, der aber je nach Abstraktionsgrad der Zeichnung auch ins expressionistische, alptraumhafte umkippen konnte. Mir wurde klar, dass das genau die Extreme waren, in die Peer Meters Geschichte den armen Vasmer hineinstürzten und diese Technik die einzig geeignete war, genau dies sicht- und fühlbar zu machen.
BK: Wenn man sich Martin Vasmer genauer anschaut, ähnelt er Ihnen äußerlich. Ist das Zufall oder Absicht?
DvB: Beides. Ich bin als Modell immer verfügbar und muss mir um meine Zeit und Kosten keine Gedanken machen, aber das ist nur die pragmatische Seite. In „Vasmers Bruder“ geht es auch um die Überlagerung von Realität und Fiktion. Da ist es nur konsequent, dass der fiktive Protagonist als mein Alter Ego die Reise antritt, die ich selbst angetreten habe und Dinge erlebt, die ich selbst erlebt habe. In der künstlerischen Auseinandersetzung und Umsetzung stand die Intensität einer tatsächlichen Begebenheit derjenigen einer fiktiven übrigens in nichts nach. Angesichts der Thematik eine Grenzerfahrung.
BK: Peer Meter, wie verlief Ihre Recherchearbeit?
PM: Ich habe die Idee zu „Vasmers Bruder” während meiner Recherche zum Fall „Haarmann” bekommen. Das liegt mittlerweile mehr als fünfundzwanzig Jahre zurück. Damals existierte der „Eiserne Vorhang” noch und es war ganz unmöglich, einen Kontakt nach Breslau zum dortigen Archiv zu erhalten. Die wenigen Fakten, die es überhaupt über „Karl Denke” gibt, hab ich aus kriminalistischen Fachbüchern der 20er Jahre zusammengesammelt.
BK: Konnten Sie ruhig schlafen, während Sie die Story ausgearbeitet haben?
PM: Ich kann immer ruhig schlafen, weil ich nämlich ein gutes Gewissen habe, das bekanntlich ein sanftes Ruhekissen ist.
BK: In der Geschichte „Vasmers Bruder“ gibt es ebenso große Tragik wie in dem Fall „Denke“, allerdings fällt im Buch in dem Zusammenhang auch das Wort „komisch“. Zum Beispiel sagt Hana „komisch“ und Vasmer „tragisch“. Wie kommt es zu diesen zwei Sichtweisen?
PM: „Komisch” und „tragisch” ergibt zusammen das Tragik-Komische. Und da alles Komische seine Wurzeln im Tragischen hat, kommt es zu diesen zwei Sichtweisen. Übrigens kann „komisch” ja auch durchaus mehrdeutig, also im Sinne von merkwürdig, aufgefasst werden.
BK: Im Buch sind viele Stellen in polnischer Sprache, das macht das Leseerlebnis noch realistischer, aber man versteht auch nicht alles. Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb die Stellen nicht übersetzt wurden?
PM: Wir wollten dem Leser so authentisch wie möglich das Gefühl von Verlorenheit in einer fremden Welt geben; eine Welt, die für Vasmer immer undurchsichtiger wird und ihn an Abgründe führt, denen er nicht mehr gewachsen ist. Übersetzungen der polnischen Passagen hätten dieses Gefühl zerstört.
BK: Bei der Lesung bekamen wir den Eindruck, dass Ihr gut zusammenarbeiten könnt. Dürfen wir noch weitere Projekte von Euch erwarten?
PM: Ja.
DvB: Unbedingt.
BK: Am Ende unserer Interviews stellen wir unsere zwei Bücherstadt Kurier-Spezialfragen. Hier ist die erste: Wenn ihr ein Buch wärt, welches wärt ihr?
PM: Kafkas „Prozeß”.
DvB: Bernhards „Beton“.
BK: Welche Frage habt ihr euch schon immer mal in einem Interview gewünscht? Wie würde eure Antwort auf die Frage lauten?
PM: Die Frage: „Ich würde gerne Ihre weitere schriftstellerische Arbeit unterstützen und Ihnen eine Summe baren Geldes überlassen. Nehmen Sie an?“ Die Antwort: „Aber mit dem größten Vergnügen!“
DvB: Dito. 🙂
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