Auf dem besten Weg zur Teenie-Mom: Die Protagonistin in Jean Kyoung Fraziers Roman „Pizza Girl“ ist achtzehn, schwanger und ohne wirkliche Perspektiven. Trotzdem geht sie ihren eigenen Weg, auf dem Worteweberin Annika ihr ein Stück gefolgt ist.
Nach dem Tod ihres Vaters lernt die 18-jährige Ich-Erzählerin Jane in einer Selbsthilfegruppe Billy kennen – nicht lange und er ist der Vater ihres ungeborenen Kindes. Hier steigen wir in die Geschichte ein: Jane ist schwanger, fährt in ihrem klapprigen Auto Pizza aus und schleicht sich Nacht für Nacht in den Schuppen ihres verstorbenen Vaters, um über Dosenbier und Werbesendungen ihr Leben für ein paar Stunden an die Seite zu schieben.
Dabei hätte sie es viel schlechter treffen können, denn Billy ist herzensgut, clever und Feuer und Flamme für das Baby. Noch dazu versteht er sich blendend mit Janes Mutter, einer gebürtigen Koreanerin, die sich wahnsinnig über den waschechten amerikanischen Schwiegersohn-in-spe freut. Doch dem Pizza Girl wird das alles zu viel und dieses Baby … so richtig kann sie sich darauf nicht freuen.
Eine ungewöhnliche Bestellung
Dann ruft eines Tages eine Frau in der Pizzeria an und gibt eine ungewöhnliche Bestellung auf: „Eine Salamipizza, aber mit Gürkchen, bitte.“ Rund um die Uhr kreisen Janes Gedanken von da an um diese Frau, Jenny. Als einzige scheint sie die deutlich jüngere Jane verstehen zu können und noch dazu hat sie einen Pferdeschwanz, der Jane einfach nicht aus dem Kopf geht …
Klar, dass Janes Schwärmerei für – oder fast schon Besessenheit von – Jenny einige Probleme mit sich bringt. Immerhin ist Jane eine Protagonistin, die man zwar ins Herz schließen muss, über deren Entscheidungen und Handlungen man dennoch oft nur den Kopf schütteln kann. Doch natürlich hat ihr Verhalten auch einen Grund. Ängste und Erinnerungen belasten Jane und lassen sie immer wieder Dinge tun, von denen wir uns sicher sein können, dass sie keine gute Idee sind: neues Bier besorgen, lügen, zu Jenny fahren. In Rückblenden erfahren wir mehr über Janes Kindheit, das schwierige Zusammenleben mit dem Vater und seinen Tod. Auch wenn wir Janes Verhalten dann trotzdem nicht gutheißen können, so richtig übel können wir es ihr auch nicht nehmen.
Humorvoll mit Hirn
Jean Kyoung Fraziers „Pizza Girl“ ist mit viel Drive und in einem so lockeren Ton erzählt, dass ich nur so durch den Roman geflogen bin. Dabei geht es um viele wichtige und teils ernste Themen wie Mutterschaft, Alkoholmissbrauch (in der Schwangerschaft), Tod und die Suche nach dem Sinn im Leben und in der Liebe. Auch wenn die Geschichte Tabus nicht ausspart, fehlt es der Erzählung nicht am nötigen Witz und einem augenzwinkernden Blick auf die Ereignisse, um sie ertragen zu können.
„Glücklich stellte ich Jennys Pizza zusammen. Ich fand beim Gürkchenschneiden einen Rhythmus und die bestmögliche Verteilung; als sie aus dem Ofen kam, wollte ich weinen und selbst ein Stück davon haben. Die Köche gaben mir einen großen Becher mit Eiswasser.“ (S. 177)
Der Roman ist überzeugend erzählt und arbeitet mit ungewohnten Sprachbildern. Gefallen hat mir auch die Perspektive auf Queerness, mit der im Roman ganz selbstverständlich umgegangen wird, und auf das Leben in den USA. Wie Jane ist Jean Kyoung Frazier Tochter einer koreanischen Einwanderin und kann eigene Erfahrungen einfließen lassen. „Pizza Girl“ ist ein Debüt, das klug und mit Humor unterhält und das auf weitere Romane der Autorin hoffen lässt.
Pizza Girl. Jean Kyoung Frazier. Aus dem Englischen von Marion Hertle. Kampa Verlag. 2022.
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