Sara Mrozek im Interview

von | 27.04.2021 | Buchpranger, Im Interview, Stadtgespräch

„Ich möchte eine Welt zeigen, wie ich sie mir idealerweise vorstelle: Mädchen und Frauen sind ganz selbstverständlich stark, selbstbewusst und gleichberechtigt.

Rollenklischees und altbackene Genderstereotype … Die Autorin Sara Mrozek hat genug von Kinderbüchern dieser Art und nimmt es kurzerhand selbst in die Hand. Satzhüterin Pia hat sich mit Sara bei einem (Video-)Kaffeedate getroffen und mit ihr über „Emis Welt“ und Frauenpower gesprochen.

BK: Hallo Sara! Schön, dass wir uns heute hier digital sehen können.

SM: Ich freue mich auch sehr!

BK: Du bist Mama zweier Töchter, arbeitest Vollzeit in einem renommierten Job und bist nun auch noch Autorin. Dein Debüt „Emi und der Süßigkeitenräuber“ ist kürzlich erschienen. Bitte erzähle doch einmal, wie es dazu kam!

SM: Ursprünglich fing es schon vor Jahren damit an, dass ich in meinem Beruf Chancengleichheit für Frauen schaffen und besonders Frauen in Führungspositionen fördern wollte. Das Thema beschäftigt mich schon so lange. Nachdem ich meine erste Tochter bekommen habe, wurde das Thema Rollenklischees in Kinderbüchern noch einmal anders präsent. Viele Bücher sind sehr altmodisch stereotyp.

BK: Das ist mir als Mama einer Tochter auch schon sauer aufgestoßen. Klischees wie die schöne Prinzessin und der abenteuerlustige Pirat sind viel zu omnipräsent.

SM: Ja, genau. Rollenbilder beginnen schon bei Kinderbüchern und Spielsachen. Mir gefällt es nicht, wie diese schon so früh eng vorgegeben werden. Als Mädchen bist du lieb, ruhig und stellst dich hinten an – als Junge darfst du toben und wild sein. Das hat einen großen Einfluss auf unsere Töchter – und natürlich auch auf die Söhne.

BK: …und am Ende ist das Ergebnis genau dieses: Es gibt die „fürsorglichen Frauen“ und die „starken Männer“, die uns beschützen – etwas überspitzt dargestellt.

SM: Wir haben Geschichten beim Vorlesen auch mal umgedichtet, um sie vielfältiger zu gestalten. Dann haben die Eltern zum Beispiel die Mädchen und die Jungen vom Reiterhof abgeholt. Ich meine, warum sind es bei so etwas immer nur die Mädchen?

BK: Also hast du dir gedacht, das geht besser und es selbst in die Hand genommen! Erzähle doch bitte etwas über dein Buch „Emi und der Süßigkeitenräuber“.

SM: Ich möchte Geschichten über starke Mädchen schreiben, ohne dies in den Fokus zu setzen. Emi, die Hauptfigur, trifft in den Geschichten auf andere starke Frauenfiguren – im ersten Band zum Beispiel eine Polizistin. Dabei soll es keinen erhobenen Zeigefinger geben, sondern ich möchte einfach eine Welt zeigen, wie ich sie mir idealerweise vorstelle: Mädchen und Frauen sind ganz selbstverständlich stark, selbstbewusst und gleichberechtigt.

BK: Wie kommt das bei deinen Töchtern an?

SM: Meine Große ist vier und ganz stolz! Die beiden Geschwister in den Büchern, Emi und Leni, sind auch etwas an meine Töchter angelehnt. Sogar die Kleine freut sich schon darüber und zieht das Buch aus dem Regal, damit wir es anschauen können.

BK: Wir hatten schon kurz darüber gesprochen, dass auch für Jungen vielfältigere Vorbilder wichtig sind. Warum setzt du in deiner Reihe den Fokus auf Mädchen?

SM: Weil ich Töchter habe und durch sie inspiriert werde. Aber auch Jungs sollten ihre Geschichten bekommen – sie dürfen weich sein, Rosa tragen oder eben die Prinzessin sein! Rollenbilder schränken so ein. Sowohl die Jungen als auch die Mädchen sollen wissen, dass sie diesbezüglich machen dürfen, was sie wollen.

BK: Das finde ich auch. Besonders beim Kauf von Babykleidung fand ich es damals sehr fragwürdig, wie eng und vorgefertigt die Kategorien da sind. Ich habe auf einem Kinderflohmarkt sogar einen rosa Body mit Tutu gesehen.

SM: Ja, die Klischees sind wirklich krass. Warum gibt es nicht einfach eine Babykategorie? Warum muss alles immerzu in Jungen oder Mädchen unterteilt werden? Wir bekommen diese Genderklischees sicherlich nicht so schnell aus der Gesellschaft raus, aber wir können im Kleinen anfangen und das Bewusstsein aufbauen, dass es natürlich okay ist, die Prinzessin zu sein, das Kind aber auch der Bauarbeiter sein darf.

BK: Im Kleinen können wir Eltern dies den Kindern mit auf den Weg geben, auch wenn die Hürden in der Gesellschaft immer noch groß sind. Wenn man da allein an Kitas und Co. denkt…

SM: Mein Mann und ich leben es den Kindern auch schon modern vor. Wir arbeiten beide in Vollzeit und teilen uns die Aufgaben in Familie und Haushalt gleichberechtigt auf. So können wir uns beide gut verwirklichen. Wichtig ist mir jedoch auch, dass das etwas ist, was für uns gut funktioniert. Es muss aber nicht heißen, dass es für jeden das richtige Modell ist.

BK: Wir halten es da genauso und ich denke auch, dass die Normalität in allen Bereichen gegeben sein sollte. Wenn es für eine Familie und alle Familienmitglieder das Beste ist, in einem „klassischen“ Modell die Rollen zu verteilen, ist auch das gut so. Schade ist es nur, wenn das die geforderte Normalität ist und besonders Frauen in die entsprechenden Rollen gedrängt werden.

SM: Genau. Besonders schlimm finde ich auch dieses Denken, dass Frauen sich nicht gegenseitig unterstützen und Neid bei uns vorherrsche. Seit ich für meine Buchreihe auch vermehrt Social Media nutze, habe ich gemerkt, wie sehr es dort Rückhalt gibt. Überhaupt: Frauen sollten sich immer gegenseitig unterstützen! Netzwerke für Frauen sind so wichtig.

BK: Dass du selbst eine Frau bist, die mutig und stark ist, zeigt sich auch dadurch, dass du deinen eigenen Verlag gegründet hast – wenn ich das richtig verstanden habe?

SM: (lacht) Naja, fast. In der letzten Elternzeit habe ich mir überlegt, diese Buchreihe herauszubringen. Generell möchte ich gerne alles in einer Hand haben! Der Verlag soll noch entstehen, um dieser Literatur eine Plattform zu bieten. Im Moment bin ich damit selbstständig. Es ist sehr, sehr viel Arbeit für einen allein. An Träumen und Ideen mangelt es nicht, aber die Kapazitäten sind nicht unendlich.

BK: Das ist wohl wahr! Wir kennen das mit unserer Arbeit beim Kurier und im Verein auch sehr gut. Also ist dein nächstes Ziel die Verlagsgründung vom „Winterkind Verlag“?

SM: Das nächste Ziel ist erst einmal das nächste Buch zu schreiben. Die Geschichte soll noch dieses Jahr erscheinen – wahrscheinlich wieder zum Herbst hin.

BK: So ein Buch ist sicherlich mehr Arbeit, als man erst einmal denkt. Und bei Bilderbüchern ist es nicht der Text allein. Wie kamst du zu deiner Illustratorin Sabine Marie Körfgen?

SM: Stimmt, das ist jede Menge Arbeit. Eigentlich war meine tatsächliche Hauptarbeit, dieses Buch herauszugeben, nicht es zu schreiben! (lacht) Ganz am Anfang habe ich einfach erstmal recherchiert und nach Kinderbuchillustratoren und -illustratorinnen gegoogelt. Der Stil sollte mir gefallen und zu den Figuren passen. Dann habe ich Sabine Marie Körfgen gefunden, und die Chemie hat gleich gepasst. Sie hat mir einen Entwurf von Emi geschickt und das hat für mich gut funktioniert. Sabine hat Emis Geschichte ins Leben geholt!

BK: Text und Bild müssen bei einem Bilderbuch besonders gut harmonieren, das stimmt. Wie lief denn so die Zusammenarbeit mit der Illustratorin?

SM: Das lief wirklich super. Wir sind vorab alles durchgegangen, dann kamen die Skizzen und Entwürfe von Sabine zu mir und wir haben dann darüber gesprochen. Ich gehe immer sehr ins Detail. Aber Sabine hat super mitgemacht und hat die Essenz in der Geschichte gut getroffen.

Text und Illustrationen stimmig hinzubekommen war auch eine zeitliche Herausforderung. Aber es war für mich auch das erste Mal, fürs nächste Mal weiß ich dann schon mehr.

Übrigens haben die Illustrationen tatsächlich die Geschichte beeinflusst. Anfangs hat Emi sich zum Beispiel Gummistiefel und Regenjacke angezogen, ehe sie rausgeht, und bei den Illustrationen haben wir gemerkt, dass das überhaupt nicht gepasst hat. Dann wurde es eben ein warmer Sommertag. Sabine hat Emi ein tolles Outfit verpasst!

BK: Ein echtes Frauenteam!

SM: Ich habe auch mit einer tollen Lektorin zusammengearbeitet. Das wurde zu einer wirklich guten und intensiven Auseinandersetzung mit der Geschichte. Am Anfang bin ich da ganz naiv rangegangen. (lacht) Ich dachte, ich bräuchte kein Lektorat – das bisschen Text … Ehe ich meinen Anspruch angehoben habe und mir auch ein Lektorat gesucht habe – was ja mehr als nur die Überprüfung der Rechtschreibung ist. Heute würde ich es nicht mehr anders machen.

BK: War es Absicht, nur Frauen im Team zu haben?

SM: (lacht) Sie waren einfach die Besten! Nein, es war tatsächlich keine Absicht, aber diese Frauen haben einfach gut gepasst.

BK: Ich finde es vor deinem Hintergrund auch nur konsequent! Noch einmal zurück zu der Zeit der Entstehung deiner Geschichte. Das letzte Jahr war sicherlich eine besondere Herausforderung für dich, in mehrfacher Hinsicht, oder?

SM: Ja, das Jahr war schwierig. Der Lockdown für sich und dazu dann mein noch so frisches Baby. Aber ich habe für mein Projekt so sehr gebrannt, dass ich jede freie Minute daran gearbeitet habe. Es ist aber ein Marathon und kein Sprint und mit der eigenen Energie muss man gut haushalten. Rückblickend war es vielleicht gut, dass ich am Anfang nicht gewusst habe, wie viel Arbeit auf mich zukommen würde.

BK: Das ging uns bei der Vereinsgründung ähnlich! Gibt es etwas, das du den Menschen mit auf den Weg geben möchtest, die vor ähnlichen Herzensprojekten stehen?

SM: Wenn du einen solchen Herzenswunsch hast, mach es! Glaube an dich! Mach dir einen Plan, fange an, suche dir Unterstützung auf deinem Weg und schaffe dir ein Netzwerk für den Erfahrungsaustausch. Aber grundsätzlich: Trau dich! Das heißt nicht, dass es immer leicht sein wird, aber das Ergebnis am Ende ist es einfach wert. In meinem Fall gibt es mir so viel, Kindern eine Freude damit zu machen. Das ist so ein großer Dank!

BK: Wie passend, dass unser BK-Motto „Mach doch einfach“ ist! Zurück zu deinem Buch: Magst du mir verraten, was es mit den kleinen Kobolden auf sich hat, die dort auf den Seiten zu finden sind?

SM: (lacht) Darauf werde ich häufig angesprochen. Die Wichtel sollen zeigen, dass es keine Geschichte ist, die in unserer Realität spielt. Sie sollen zeigen, dass dies Emis Welt ist und ein paar Dinge der Fantasie zu überlassen sind. Die Kinder haben auf den Seiten so auch etwas zu suchen und zu entdecken. Die Wichtel sorgen für Gesprächsstoff, weil vor allem die Erwachsenen sich fragen, was sie in der Geschichte für eine Funktion haben. Aber die Kinder stellen es nicht infrage, sie freuen sich darüber. Ich mag solche fantastischen Elemente. Sie bieten die Gelegenheit, auch mal richtig kreativ zu werden.

BK: Darauf bin ich auch direkt reingefallen! Meine Tochter ist zwar noch etwas zu jung für dein Buch, fand die Wichtel aber auch schon toll. Nun würde mich noch interessieren, welche Bücher du neben „Emi“ empfehlen würdest?

SM: Ich liebe auch Bücher wie „Julian ist eine Meerjungfrau“! Und andere Bücher über starke Mädchen oder Frauen, wie zum Beispiel „Good night stories for rebel girls“. Meine eigene Geschichte wollte ich aber weniger ‚edgy‘ erzählen. Ich wollte einfach eine Normalität erzählen, wie ich sie mir wünsche. Davon gibt es meiner Meinung nach viel zu wenige Kinderbücher.

BK: Als Abschluss stellen wir Gästen in der Bücherstadt immer zwei Fragen: Welche Frage hast du dir in einem Interview schon immer gewünscht und wir wäre deine Antwort darauf?

SM: (überlegt) Das ist wirklich keine einfache Frage… Vielleicht die Frage: „Womit möchtest du Menschen in Erinnerung bleiben?“ Und ich würde antworten: „Ich möchte als jemand in Erinnerung bleiben, der anderen Frauen Mut gemacht, sie gefördert, unterstützt, inspiriert und Türen geöffnet hat.“ Das zu erreichen wäre toll.

BK: Und die zweite Frage: Wenn du ein Buch wärst, welches wärst du?

SM: (überlegt nicht lange) Ich glaube, ich wäre ein Wimmelbuch: Es ist immer viel los, wenn man genauer hinschaut, entdeckt man wieder etwas Neues.

BK: Das ist eine schöne Antwort! Liebe Sara, herzlichen Dank für das bereichernde Gespräch!

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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