Es ist auch für kleinere, unbekannte Verlage schwierig, sich in Buchläden zu positionieren.
Wortklauberin Erika hat auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse mit sara reichelt über ihr Buch „Lies mich“ gesprochen.
BK: Deine Idee, die Erzählperspektive von einem Menschen auf fünfundzwanzig Bücher in einer Schachtel zu verlegen, ist ungewöhnlich und originell. Wie kam es, dass Du Dich gerade für diese Perspektive entschieden hast?
SR: Vor „Lies mich“ habe ich zwei andere Bücher im Selbstverlag veröffentlicht. Damals versuchte ich, die Bücher auf Kommissionsbasis in Buchhandlungen unterzubringen – dabei erlebt man merkwürdige Dinge. Irgendwann habe ich mir vorgestellt, wie es wäre, eines dieser Bücher zu sein. Daraus entstand die Idee, aus der Sicht von Büchern zu schreiben.
BK: Flossen im Schreibprozess eigene Erlebnisse mit ein? Du meintest während der Lesung, eine unbekannte Frau in einer Buchhandlung habe Dich inspiriert.
SR: Genau solche und ähnliche Erlebnisse, in Buchläden oder beim Versuch, Lesungen zu organisieren. Da kommen verschiedene Reaktionen. Nicht alle sind angenehm.
BK: Du beginnst dein Buch mit einer „Vorgeschichte“, in der ein Buch noch nicht entstanden ist. Greifst Du dabei auch auf eigene Erfahrungen beim Schreiben zurück?
SR: Die „Vorgeschichte“ erzählt von einem Ursprung. Ich habe darüber nachgedacht, wie es ist, etwas zu erschaffen – durchaus auch mit religiöser Konnotation, ich habe Religionswissenschaften und Judaistik studiert.
BK: Fließt Dein Wissen rund um die Weltreligionen in deine Erzählung ein?
SR: In einem Kapitel verliebt sich ein Buch in den Koran. Im Vorfeld überlegt es sich, wie es zur Religion steht, ob es einer Religion angehören möchte. Das Judentum findet es interessant – aber ohne eine jüdische Mutter könnte es nur schlecht jüdisch werden. Dass ich Judaistin bin sieht man gerade im ersten Kapitel – ich übernehme den Stil des Talmuds: „So sagten die einen – so sagten die anderen“. An einer anderen Stelle geht es darum, dass ein Buch sterben wird und das weiß. Es überlegt, ob es verbrannt werden möchte oder vergraben. Dabei habe ich mich mit Beerdigungsritualen aus verschiedenen Religionen beschäftigt.
BK: Du lässt auch Diskurse aus dem Verlagsgeschäft – mit Betonung auf ‚Geschäft‘ – einfließen, nach dem Bücher häufig dem Prinzip „Es muss verkäuflich sein“ folgend in Buchhandlungen gelangen.
SR: Genau. Es ist teilweise noch nicht einmal möglich, Kommissionsware unterzubringen. Es ist auch für kleinere, unbekannte Verlage schwierig, sich in Buchläden zu positionieren.
BK: Wie bist Du denn zu Deinem Verlag – Verlag 3.0 – gekommen?
SR: Das ist eine wunderschöne Geschichte. Herr Quirbach, für mich mittlerweile Hubert, hat mich sozusagen gefunden. Er ist Literaturagent und Korrektor und ist auf Xing (eine Vernetzungsplattform für Beruf und Karriere, Anm.d.Red.) auf mich gestoßen.
(Neben uns sitzt auch saras Literaturagent, Hubert Quirbach, der sich hier kurz ins Gespräch einschaltet.)
HQ: Ich war von der Idee fasziniert, ein Buch-im-Buch. Ich fand die Idee toll: sowas hatte ich noch nie gesehen oder gelesen – und ich lese viel. Ich gehöre zu der Generation, die noch mit Print-Books groß geworden ist, von daher hat mich saras Idee sehr fasziniert. Ich halte es wirklich für eine tolle Sache. Wir sind nicht reißerisch in unserer Präsentation. Der Verlag ist eng verzahnt mit seinen Autoren, nimmt Rücksicht auf ihre Ideen und lässt ihnen viel Freiheit.
SR: Ich bin sehr glücklich mit Hubert als Lektor und mit dem Verlag 3.0. Wir arbeiten auch wieder an einem neuen Projekt. Inzwischen bin ich mit Hubert und mit Kerstin & Zsolt, meinen Verlegern, gut befreundet: Mein Buch hat mir drei wundervolle Freunde geschenkt.
BK: Kommen wir zur letzten BK-Frage: Wenn Du ein Buch wärst, welches wärst Du?
SR: Ich hätte jetzt spontan gesagt, der Duden – oder generell ein Wörterbuch. Dann hätte ich die Chance, aus den vielen Wörtern in mir den großen Schatz der Sprache immer weiterzubilden.
Der Bücherstadt Kurier bedankt sich für das kurze Interview bei sara reichelt und ihrem Agenten Hubert Quirbach sowie dem Verlag 3.0.
Foto: Privat
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