Sarah Neuendorf alias Gretas Schwester im Interview

von | 23.10.2021 | Buchpranger, Im Interview, Stadtgespräch

„Neue Welten zu erschaffen, ist für mich das Größte.“

Sarah Neuendorf zeichnet, schreibt und verlegt unter dem Namen Gretas Schwester. Worteweberin Annika hat mit ihr über Lieblingsbücher, das wilde Island und Lebensträume gesprochen.

BK: Magst du zum Einstieg ein wenig mehr über dich erzählen? Wofür brennst du und was machst du?

SN: Ich heiße Sarah, bin 32 Jahre alt und in zweiter Generation Berlinerin durch und durch. Ich wohne mit meinem Mann und meinen zwei Kindern, Anuk und Mika, in Schöneberg. 2014 habe ich in meiner WG in Bremen bei Nieselregen und gelangweilt vom Studium mein Label Gretas Schwester gegründet. Erste Produkte waren Postkarten und das Babybuch, ein Tagebuch zum Eintragen von Erinnerungen an die Babyzeit. Viele Jahre sind seitdem vergangen, viele viele Produkte hinzugekommen, doch ich liebe meinen Beruf immer noch so sehr wie am ersten Tag. Illustratorin zu sein, ist für mich mehr Traum als Job.

BK: War es als Kind schon dein Traum, zu malen, zu zeichnen und Bücher zu machen? Oder wie kam es später dazu?

SN: Schon als Kind saß ich ständig mit Buntstiften vor Papier und habe gemalt wie verrückt. Ein großes Stück Pappe war für mich das größte Glück der Erde. Schon damals habe ich liebend gerne Häuser gemalt und sie komplett eingerichtet. Mit Bunt- und Filzstiften. Lange war mir nicht klar, dass das ein echter Beruf werden könnte. Mein größter Traum war es immer, Kinderbuchillustratorin zu werden, und ich bin sehr glücklich darüber, dass sich dieser Wunsch erfüllt hat.

BK: Eigentlich heißt du Sarah Neuendorf. Wie ist denn der Name Gretas Schwester entstanden?

SN: „Gretas Schwester“ ist ein Kinderbuch, dass ich zusammen mit meiner Schwägerin Tine entwickelt habe. Gretas Schwester ist ein Wal, der auf der Insel des Mädchens Anuk strandet. Sie hilft dem Wal zusammen mit einer wilden Affenbande zurück ins Meer und erlebt jede Menge Abenteuer.

Gleichzeitig wurde es dann auch der Name für mein Label, über das ich Poster, Postkarten, Emaille-Becher und Tagebücher verkaufe. Etwas verwirrend, das gebe ich zu. Aber seit Greta Thunberg eine bekannte Persönlichkeit geworden ist, denken viele, der Name bezieht sich auf sie, was irgendwie lustig und cool ist. Denn wir sind alle große Fans.

BK: Im Verlag arsEdition sind mit „Die Welt, die dir gefällt“ und „Die Tierwelt, die dir gefällt“ zwei Bilderbücher von dir erschienen. Besonders toll daran ist, dass sie absolut klischeefrei nach der Meinung der Kinder fragen. Wie kam es zu diesem Konzept?

SN: Der Verlag ist mit dieser tollen Idee an mich herangetreten und mit meinen Illustrationen kombiniert, hat es sofort Klick gemacht. Das Buch „Die Tierwelt, die dir gefällt“ ist dann eine gemeinsame Idee gewesen. Wir hatten richtig Lust auf einen zweiten Teil und wollten mit dem Buch um die Welt reisen.

BK: Bei uns zu Hause bleiben wir immer auf der Seite hängen, auf der es um die Frage geht: „Würdest du lieber einem Krokodil in Südamerika oder einem Weißen Hai in Afrika die Zähne putzen?“ Was ist deine Antwort auf die Frage?

SN: Definitiv dem Krokodil. Vor ein paar Jahren habe ich in Südafrika einem weißen Hai auf einer Bootstour direkt ins Gesicht gesehen. Gruseliger und furchteinflößender als das kann ein Krokodil wirklich nicht sein.

BK: Wie finden deine Kinder deine Bücher denn eigentlich?

SN: Lange haben wir die Bücher eher zum Suchen von Gegenständen und Tieren genutzt, aber seit einiger Zeit kann meine Große mit dem Zusammenstellen einer eigenen Geschichte etwas anfangen und siehe da, der Kleine hat‘s dann jetzt auch schon direkt kapiert. Sie lieben Tiere, deswegen mögen sie das zweite Buch lieber, aber vor allem die Fahrzeuge-Seite im ersten Buch hat‘s dem Kleinen ebenfalls angetan.

BK: Nicht nur im „Tierwelt“-Buch, auch bei den Illustrationen auf den Gretas-Schwester-Produkten findet man ganz viele Tiere. Welches ist dein Lieblingstier?

SN: Natürlich der Wal. Lange wollte ich Meeresbiologin werden und die Tiefen der Ozeane erforschen. Am Ende bin ich aber auch sehr glücklich mit meiner jetzigen Berufswahl, denn neue Welten zu erschaffen, ist für mich das Größte.

BK: Mit Gretas Freunde gibt es außerdem einen Verlag, den du mit zwei Kolleginnen schmeißt. Viele der Bücher aus dem Verlag beschäftigen sich mit dem Thema Reisen. Was war bisher die tollste Reise, die du gemacht hast? Und wohin möchtest du als nächstes reisen?

SN: Oh das war wohl nach Island. Kein Ort hat mich mehr verzaubert. Wir waren 2016 das erste Mal dort als Paar ohne Kinder. Haben den ganzen Tag in heißen Quellen herumgeplantscht, haben heißen Tee und Suppe hinter beschlagenen Caféscheiben genossen und die schönsten Naturwunder bestaunt. 2020 waren wir dann noch mal mit den Kindern da. Eine völlig andere Erfahrung. Nur kurzes herumpaddeln im warmen Wasser, Autofahrten, die ständig unterbrochen wurden durch Hunger, volle Windeln oder verlorene Schnuller und schnelles Essen im Stehen. Trotzdem war diese Reise fast noch toller. Die Kinder erzählen immer noch mit glitzernden Augen von den Delfinen, Walen und wilden Pferden, die wir gesehen haben. Von dem größten Spielplatz der Welt, der Natur und der Zeit, die wir als Familie hatten. Oft steigen wir auf dem Sofa ins Flugzeug und besuchen erneut diesen zauberhaften Ort.

BK: Was inspiriert dich bei deiner Arbeit neben dem Reisen besonders?

SN: Musik. Manchmal höre ich ein Lied und möchte es unbedingt verbildlichen. Irgendwie das Gefühl einfangen, das es in mir hervorruft. Und seit ein paar Jahren natürlich meine Kinder. Was finden sie interessant, womit können sie so gar nichts anfangen. Sie vermitteln mir dazu ein ziemlich gutes Gefühl.

BK: Verrätst du uns deine Lieblingsbücher?

SN: „Vom Ende der Einsamkeit“ und „Hard Land“ von Benedict Wells und „Was wir sind“ von Anna Hope. Auch wenn ich auf diesen Zug spät aufgesprungen bin, bin ich riiiiesiger Harry Potter Fan und würde in einem Quiz wohl einen ganz guten Platz belegen. Als Kind mochte ich „Das Traumfresserchen“ von Michael Ende und „Lotta zieht um“ von Astrid Lindgren.

Unser gemeinsames Lieblingsbuch in der Familie ist wohl „Kalle und Elsa“ von Jenny Vestin Verona. Da freue ich mich immer besonders, wenn ich das Vorlesen darf.

BK: An welchem Projekt arbeitest du gerade?

SN: Wir bringen Anfang November eine sehr weihnachtliche Version unserer Tiny Adventures Reihe heraus und es ist ein weiteres Kinderbuch bei Gretas Freunde geplant.

BK: Dann habe ich noch zwei Fragen, denen sich alle Besucher*innen in der Bücherstadt stellen müssen: Welche Frage hast du dir schon immer für ein Interview gewünscht und wie antwortest du darauf?

SN: Wen würdest du gerne mal treffen, tot oder lebendig?
Auch wenn es als Kinderbuchillustratorin irgendwie ein Klischee ist, Zimtschnecken essen mit Astrid Lindgren wäre schon wundervoll. Gerne würde ich wissen, wie man so lange so tolle Arbeiten abliefern kann. Dann stelle ich mir vor, wie ich selbst, als Omi, an meinen Schreibtisch sitze und das Zwanzigste Buch von Greta dem Wal illustriere. Vielleicht gibt es im Himmel ja die Villa Kunterbunt, da würde ich mich auf jeden Fall auf ein Zimmer bewerben und hoffen, dass dort der Wohnungsmarkt weniger angespannt ist als in Berlin.

BK: Wenn du selbst ein Buch wärst, welches wäre das?

SN: „Wir Kinder aus Bullerbü“, denn so sehr ich das Leben in der Stadt liebe, so sehr würde mich das Leben auf einem der drei Höfe glücklich machen. Ein Gemüsegarten vor der Tür und Freunde im Nord- und Südhof. Herrlich wäre das.

Foto: Kristen Fortier

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