Ist das jetzt Mainstream, oder was? Wenn trotz Allbekanntem ein gewisser Unterhaltungswert aufkommt, ist das ein Grund für Zeichensetzerin Alexa mal genauer hinzuschauen. Was macht „Die Hüterin der Wahrheit“ so unterhaltsam?
Schon wieder eine „Hüterin“, dachte ich, als ich den Titel las. So viele Werke beinhalten dieses Wort, diese Idee, dass der erste Eindruck meist mit einem Vorurteil einhergeht. Das Cover des Buches – angepasst an das DVD-Cover – und der Trailer zum Film tragen erst recht dazu bei, dass der Anschein, es handele sich hierbei um Mainstream, noch gesteigert wird. In den meisten Fällen mag ich keinen Mainstream und noch weniger mag ich Hypes. Meistens warte ich ab, bis ein Hype vorüber ist, um das Werk für mich im Stillen genießen zu können. Nur für mich allein. Ohne mir Meinungen aufzwingen zu lassen, weil sie gerade überall im Netz umherschwirren. Aber dem entkomme ich wohl nicht gänzlich.
Wie dem auch sei: Einen richtigen Hype um „Die Hüterin der Wahrheit“ habe ich nicht mitbekommen und obwohl es aussieht wie jedes zweite Fantasy-Jugendbuch hat es mir sehr gefallen. Dabei ist der Plot an sich platt: Da ist ein Mädchen namens Dina, das eine besondere Gabe hat, diese aber verabscheut, weil es eigentlich „normal“ sein möchte. Doch dann wendet sich das Blatt und Dina beginnt, ihre Gabe zu schätzen und bewusst anzuwenden, um all jene, die sie liebt, zu retten. Natürlich gibt es den Konflikt zwischen Gut und Böse und Magie, die nicht ergründbar ist. Aber im Vordergrund geht es um Freundschaft und Ehrlichkeit. Keine Dreiecks-Liebesbeziehung oder Herzschmerz-was-auch-immer, das in Jugendbüchern oftmals konstruiert wird – und übrigens mit ein Grund ist, weshalb ich solche Bücher immer weniger bis gar nicht mehr lese –, sondern tatsächlich tiefe Freundschaft. Eine, die Ehrlichkeit erfordert und aufrichtig ist.
Freundschaft und Aufrichtigkeit
Dina fühlt sich anfangs noch allein, keiner aus ihrem Dorf außer ihrer Familie mag ihr in die Augen blicken. Denn sobald dies geschieht, kann sie einen durchschauen und die Wahrheit ans Licht bringen. Deshalb werden sie und ihre Mutter als „Beschämerinnen“ bezeichnet. Dass das nicht bei allen Menschen klappt, wird den Lesern wahrscheinlich früher klar sein als der Protagonistin. Weshalb sonst ist der Bösewicht der Geschichte – Drachenfürst Drakan – immun gegen Dinas Gabe, wenn nicht aus Schamlosigkeit? Dina ist jedenfalls verhalten, als sie neue Bekanntschaften macht. Eine davon ist Rosa, aber sie gehört zu denen, die es schaffen, Dina in die Augen zu sehen…
Was mich an diesem Werk so überzeugt hat, war die Leichtigkeit, mit der Werte wie Freundschaft und Aufrichtigkeit vermittelt werden. Die Sprache ist unterhaltend und dennoch nicht zu einfach. Sie lädt ein, immer weiter zu lesen, immer wieder zum Buch zu greifen und sich von dieser Ungezwungenheit mitnehmen zu lassen. Die Übersetzung von Gabriele Haefs wird sicherlich einen Teil dazu beigetragen haben. Es ist also ein Buch, das ich gerne gelesen habe, obwohl der Plot an sich nichts Neues ist. Aber Sprache und Stil und der Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der Protagonistin haben mich bis zum Ende getragen – und das, ohne, dass ich groß darüber nachdenken musste.
Filmische Umsetzung
Nach der Lektüre folgt der Film – ich schaue mir den Film grundsätzlich erst an, wenn ich das Buch gelesen habe – und von Anfang an schraube ich meine Erwartungen zurück. Denn ein Film kann niemals genauso umgesetzt werden wie seine Buchvorlage. Dazu bedienen sich diese Medien zu unterschiedlicher Mittel. Es war also keine Überraschung, dass der Film mit einer etwas anderen Szene beginnt. Einer nämlich, die Spannung erzeugt, als sei es ein Krimi. Und wie so oft fehlen hier und da ein paar Buchstellen und der Zugang zur Gedankenwelt, welche sicherlich mehr Nähe zur Protagonistin erzeugt hätten. So erfahren die Zuschauer nicht, weshalb Dina so handelt wie sie handelt. Im Buch wäre dies aufgrund der beschriebenen Gedanken ersichtlich.
Während ich mir die Schauplätze der Geschichte im Buch selbst vorstellen konnte, erinnerten die aus dem Film sehr stark an jene aus „Game of Thrones“. Ob Zufall oder nicht – auffällig war es dennoch und ebenso Aufmerksamkeit erregend war die Tatsache, dass die Wahl der Schauspieler sehr viel zur Charakterbildung beigetragen hat. Während die Protagonisten im Buch als „normale“ Menschen mit Macken und Kanten erscheinen, wirken sie in der filmischen Umsetzung wie verändert. Dies beginnt mit Dina, die im Film sehr distanziert auftritt und geht weiter mit dem zu Unrecht verurteilten Nico, der als heldenhafter Schönling dargestellt wird. Das Gefühl von Menschlichkeit und Persönlichkeit geht im Film grundlegend verloren.
Nichtsdestotrotz habe ich mich vom Film sehr unterhalten gefühlt. Nur die dazu erfundene Schlussszene hätte nicht sein müssen. Diese wirkte wie ein erzwungenes „Wir müssen noch schnell etwas Fröhliches zeigen, um einen angenehmen Abschluss zu erzeugen“. Möglicherweise ist dies aber auch Geschmackssache. Und das ist auch der Grund, weshalb ich empfehle, sich ein eigenes Urteil über Film und Buch zu bilden. Ob ihr nun 12 seid oder älter, ist dabei ganz egal.
Buch: Die Hüterin der Wahrheit – Dinas Bestimmung. Lene Kaaberbol. Übersetzung: Gabriele Haefs. Carlsen. 2016. / Film: Die Hüterin der Wahrheit – Dinas Bestimmung. Drehbuchautor: Anders Thomas Jensen. Regie: Kenneth Kainz. Darsteller u.a.: Rebecca Emilie Sattrup, Jakob Oftebro, Petra Scott Nielsen. Polyband. 2016.
Überall diese Hüterinnen, mmh 😀
Buch und Film klingen aber, mit allen Ecken und Kanten wirklich interessant.Ich glaube, ich schaue mir beides in den kalten, dunklen Tagen des Winters auch mal bei ner heißen Tasse Tee genauer an!
Jo, genau, diese Hüterinnen immer! 😉 Zur Unterhaltung eignen sich Buch und Film sehr gut – vorausgesetzt man mag Fantasy.
Daran soll es nicht scheitern 🙂 Irgendwie mag ich Fantasy gerade im dunklen Winter sogar noch mehr.
Ja, stimmt, ich auch, wenn ich so darüber nachdenke… da muss ich doch mal nach neuem Fantasy-Lesestoff schauen!