Ein Junge sucht seinen Vater, ein Mann wird von einer Statue ermordet und jemand verübt einen Bombenanschlag auf die Baker Street. Als wäre das noch nicht genug, bekommen die Bewohner der 221B Baker Street auch noch eine neue Nachbarin. Diese scheint ein reges Interesse an dem Meisterdetektiv und vor allem an seiner Adoptivtochter Katelyn zu haben. Bücherstädter Adrian hat für euch „Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter“ gespielt und wird euch verraten, ob das mittlerweile achte Sherlock Holmes-Spiel des Studios Frogware dem Ruf des Meisterdetektivs gerecht wird.
Mit „Eine Studie in Schalachtrot“ erschuf Arthur Conan Doyle 1887 die Figur des Sherlock Holmes und brachte damit eine Legende der Literaturgeschichte zu Papier. Es folgten drei weitere Romane und 56 Kurzgeschichten rund um den genialen Meisterdetektiv.
1920 war Sherlock Holmes das erste Mal auf der großen Leinwand zu sehen; hier wurde er von Eille Norwood verkörpert. Über die Jahre kamen immer mehr Filme hinzu und auch immer wieder andere Schauspieler, welche in die Rolle von Mister Holmes schlüpften, darunter auch Sir Christopher Lee. Die aktuellsten Auftritte des englischen Meisterdetektivs, welche die Figur auch für eine neue Generation eröffneten, sind die 2009 und 2011 erschienenen Verfilmungen von Guy Ritchie („Sherlock Holmes“ & „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“), sowie die seit 2010 laufende BBC-Serie „Sherlock“. Seitdem erfreuen sich die Geschichten rund um Sherlock Holmes und seinen Freund Dr. John Watson wieder neuer Beliebtheit.
Jenen Aufschwung hat auch das Entwicklerstudio „Frogware“ nicht unberührt gelassen. Sind die Verkaufszahlen ihrer bisherigen fünf Sherlock Holmes-Spiele noch eher mau gewesen, konnten sie 2012 mit „Das Testament des Sherlock Holmes“ einen ersten Anstieg der Verkäufe ausmachen. Dies setzten sie 2014 mit „Sherlock Holmes: Crimes & Punishments“ fort. Nun steht seit Juni 2016 der mittlerweile achte Teil „Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter“ in den Geschäften.
Von Fall zu Fall
Im neusten „Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter“ erwarten uns fünf abwechslungsreiche und spannende Fälle. Der 8-jähige Tom Hurst bittet Holmes seinen Vater zu finden, welcher auf der Suche nach einer „besonderen Arbeit“ verschwunden ist. Diese Suche führt den Detektivin die Abgründe der menschlichen Seele und mit dem Finger am Abzug vor eine schwere Entscheidung.
Auch der zweite Fall „Eine Studie in Grün“ stellt den Meisterdetektiv vor ein großes Rätsel, denn ein Fluch hat eine Gruppe Archäologen zum Tode verdammt und scheinbar wird jenes Todesurteil von einer Statue vollstreckt. So wird man von Fall zu Fall geleitet, untersucht Tatorte, befragt und analysiert Verdächtige und schlussfolgert. Doch aufgepasst! Zieht ihr falsche Schlussfolgerungen oder deutet die Beweise falsch, kann auch ein Unschuldiger am Galgen landen und der wahre Täter entkommt.
Action-Holmes und Hipster-Watson
Kennern der Spiele wird die Verjüngungskur auffallen, welche die beiden Protagonisten offensichtlich hinter sich haben. Hat man in den vorherigen Spielen noch einen Holmes um die 50 Jahre, wie man ihn auch aus Doyles literarischen Vorlagen kennt, spielt man hier einen Mittdreißiger auf der Suche nach Abenteuern. Diese bringt auch einige charakterliche Veränderungen mit sich. So ist Holmes nicht mehr der ruhige und berechnende Gentleman, sondern eher der hitzköpfige Draufgänger.
Watson bleibt weiterhin Holmes Freund und Berater; äußerlich jedoch scheint es etwa so, als sei er einer Art viktorianischen Hipster-Szene entsprungen. Dies spiegelt sich in seiner ganzen Art und Haltung wider und wird vom Kleiderstil sowie Frisur und Bart unterstützt.
Schnell zeigt, in welche Richtung dieses Spiel gehen will: ein moderner Hollywood-Holmes. Dies ist jedoch nicht gleich schlecht, denn schon die Sherlock Holmes-Filme von Guy Ritchie, die eindeutig als Inspirationen dienten, zeigen, dass diese Variante des Meisterdetektivs funktioniert.
Mechaniken und die Spiele im Spiel
Um die Fälle zu lösen, stehen Holmes einige Möglichkeiten zur Verfügung. In der Detektiv-Sicht ist es etwa möglich, Kratz- oder Fußspuren zu finden, welche zu neuen Hinweisen führen. Die Visualisierung macht es einem möglich, Tathergänge zu rekonstruieren, Ablenkungsmanöver zu planen oder gar einen Unfall in mehreren Schritten nachzustellen.
In seiner Wohnung stehen Holmes neben seinem Analysetisch, noch sein Buch- und Zeitungsarchiv zur Verfügung, sowie sein Schminktisch in Kombination mit seinem Kleiderschrank. Dort kann man aus verschiedenen Verkleidungen wählen, die hin und wieder nötig sind, um in einem Fall an weitere Informationen zu kommen.
Das wichtigste Element ist jedoch die sogenannte Deduktion, wo ihr einen wortwörtlichen Einblick in das Gehirn des Meisterdetektivs bekommt. Hier wertet ihr die gewonnenen Informationen über Opfer, Täter und Tathergang aus, kombiniert sie miteinander und zieht Schlussfolgerungen. Elementar ist auch das Notizbuch, wo ihr alle Gespräche, Charakteranalysen und Beweismittel nachschlagen könnt. Auch könnt ihr von der dort enthaltenen Karte zwischen bestimmten Orten hin und her reisen.
Während der einzelnen Fälle bietet „Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter“ noch einige Minispiele, welche etwas Abwechslung in das Spielgeschehen bringen. Einige davon können jedoch auch etwas frustrierend sein. Gelungen ist zu Beginn des zweiten Falls ein Bowls-Turnier, eine Kombination aus Boule und Bowling. Ihr bestimmt Wurfrichtung und Kraft und hofft, dass es ausreicht. Auch die Verfolgung eines Verdächtigen im ersten Fall durch den Straßenjungen Wiggins, welche von der Mechanik stark an Assassin’s Creed erinnern, ist abwechslungsreich gestaltet.
Frustrierend hingegen stellte sich die Fluchtszene aus dem ersten Fall dar, welche mich gefühlte 100 Versuche gekostet hat. Auch der Weg durch einen alten Maja-Tempel, der mit Rätseln und Fallen gespickt ist, stellte sich schnell als Try-and-Error-Prinzip heraus.
Mein Fazit
„Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter“ macht vieles richtig und ich hatte trotz frustrierender Spielmechaniken hier und da viel Spaß mit dem Spiel. Die Fälle, welche jeder zwischen zwei und vier Stunden Spielzeit bieten, sind spannend gestaltet, sowie gut durchdacht und die Jagd nach dem Täter fesselt.
Ein echtes Manko aus meiner Sicht war der recht dünne fünfte Fall, der auch zugleich die Hauptgeschichte und das Geheimnis um Katelyn und Alice darstellt. Zwar ist er spannend inszeniert, jedoch hätte mehr daraus gemacht werden können und viel Potential wurde verschenkt. So ist einem Katelyn beinahe egal, da ihrer Figur der Charakter fehlt, was auf den Mangel an Informationen über sie zurückzuführen ist. Durch den hohen Wiederspielwert bietet das Spiel ca. 25 Stunden Spielzeit, ob das jedoch 60 Euro (PS4 und Xbox one; PC 40 Euro) rechtfertigt, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Ist das etwas für mich?
Das Spiel setzt einiges an genauer Beobachtungsgabe und raffinierter Knobelei voraus. Zudem bietet es den Spielern die Möglichkeit, in der Rolle des größten Detektivs des „Fin de Siècle“ – die Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert – spannende Fälle zu lösen. Wer daran Spaß hat und eine denkerische Herausforderung sucht, dem sei „Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter“ wärmstens ans Herz gelegt. Die Altersfreigabe ab 16 Jahren ist gerechtfertigt.
Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter. Studio: Frogware. Publisher: Bigben Interactiv.
Plattformen: PS4, Xbox one und PC (Microsoft). Erscheinungstermin: 10. Juni 2016.
Sehr interessanter Artikel. Hoffe Sie veröffentlichen in regelmäßigen Abständen solche Artikel dann haben Sie eine Stammleserin gewonnen.Vielen Dank für die tollen Informationen.
Gruß Sandra
Liebe Sandra,
vielen Dank für das Lob, da wird sich der Autor drüber freuen!
Wir hoffen bald immer mehr und häufiger dieses neue Ressort füllen zu können – mit interessanten Vorstellungen und Tipps rund um das Thema Spiele und Literatur.
Lieben Gruß
von Pia