Éric Corbeyran und Paul Marcel haben die Kurzgeschichte „Der Goldkäfer“ von Edgar Allan Poe eindrucksvoll als Graphic Novel adaptiert. Satzhüterin Pia hat das Buch gespannt gelesen.
Den einst reichen William Legrand hat es ohne sein Vermögen auf Sullivans Island verschlagen – zusammen mit seinem Diener Jupiter, einem befreiten Sklaven, lebt er abgeschieden vom Rest der Welt in einer einsamen Hütte, und scheint immer seltsamer zu werden. Ihn kommt ein Freund vom Festland besuchen, den das beinahe manische Verhalten von Legrand nicht abschreckt. Dieser Freund ist es nun, der uns Leser*innen durch die seltsame Geschichte von Legrand, seinem goldenen Käfer und einem Piratenschatz führt.
Die Adaption der Geschichte als Graphic Novel ist inhaltlich verständlich aufbereitet worden und Leser*innen, die das Original nicht kennen, können der Geschichte sehr gut folgen. Die Spannung steigt immer mehr, bis die skurrilen Handlungen Legrands endlich aufgelöst werden.
Aber auch, oder eher besonders, optisch ist diese Umsetzung sehr gelungen: Angefangen beim Cover, das filigran und beinahe schlicht wirkt, es aber schafft, alle Elemente der Geschichte zu vereinen. Auch die Panels auf den großen Seiten können mit ihrer dynamischen Gestaltung punkten. Die ausdrucksstarke Mimik der Figuren transportiert Gefühle. Verschiedene Perspektiven und Farbgebungen schaffen Stimmungen und lassen die Geschichte mit ihren Figuren sehr lebendig wirken.
Oft werden die einzelnen Bilder in ihrer Form aufgebrochen – die Panels sind also nicht statisch angeordnet. Kleinere und größere Bildkästen, Szenen ohne Rahmen oder gar ganz anders gerahmte Sequenzen bringen Schwung und Abwechslung auf die Seiten. Details, wie der goldene Käfer für die Seitenzahlen oder auch die Pergamentrollen für die Texte außerhalb der Sprechblasen runden das stimmungsvolle Bild ab. Die Farben wirken ebenfalls harmonisch und angemessen altmodisch für eine Geschichte, die im 19. Jahrhundert spielt. Die Panels sind in Grau- und Brauntönen mit gold-gelben, roten oder blauen „Leitfarben“ gehalten, die den Seiten einen sanften Farbstich geben und nicht wie augenfällige Akzente wirken.
Wie sehr Geschichten durch so gelungen umgesetzte neue mediale Aufbereitungen gewinnen, zeigt sich erneut bei dieser Adaption von Poes „Der Goldkäfer“: Die skurril-spannende Geschichte von Poe erhält durch die Umsetzung als Graphic Novel von Éric Corbeyran und Paul Marcel zusätzlichen Unterhaltungswert – das Buch zu betrachten und die Geschichte zu lesen, mitzufiebern und auch zu rätseln macht Spaß. Und wer tiefer einsteigen will, kann an der ein oder anderen Stelle auch analysierend tiefer einsteigen.
Der Goldkäfer nach Edgar Allan Poe. Éric Corbeyran, Paul Marcel. Übersetzung: Svenja Tengs. Knesebeck. 2024.
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