„Würde ich mir die Teufel austreiben lassen, gingen die Engel möglicherweise mit aus.“ (Rilke)
1978 trafen sich der Journalist Jonathan Cott und Susan Sontag (1933-2004) für ein Interview, welches im darauffolgenden Jahr in gekürzter Form im Rolling Stone erschien. Susan Sontag, gefeierte Essayistin, Autorin und Regisseurin, veröffentlichte erst kurz zuvor ihr Buch „Krankheit als Metapher“, in welchem sie ihre eigene Krebserkrankung thematisierte, die auch Erwähnung in dem Interview findet. Das ungekürzte Interview, welches insgesamt zwölf Stunden dauerte, liegt nun vor und überrascht mit philosophischen, tiefgehenden Themen.
Sontag setzte sich für Menschenrechte ein, bereiste Sarajewo inmitten des Bosnienkrieges, beschäftigte sich mit der theoretischen Fotografie. Ihr Lebenswerk bewegt sich auf vielen verschiedenen Ebenen von Politik, Philosophie bis zur Literatur. All diese Bereiche finden Anklang in der schmalen Lektüre, welche inspiriert und gleichzeitig überrascht.
„Ich mag ein Schweigen, durch das man hindurchsehen, hinter dem man den Menschen erkennen kann.“
Cott und Sontag liefern ein sehr inspirierendes Interview, in welchem ausgefeilte Fragen auf tiefgehende Antworten treffen. Das Gespräch bleibt nicht an der Oberfläche, sondern zieht den Leser bereits zu Beginn in seinen Bann. Bei all der Themenvielfalt bleibt es allerdings nicht aus, dass der Leser nicht jedem Gedankengang zustimmen kann, nicht mit allem konform geht. Das Besondere allerdings ist, dass man es Sontag nicht übel nimmt. Sie argumentiert auf souveräne Weise, dass der Leser sie akzeptiert. Der Drang sich einzumischen schwindet, denn eine solide Argumentation von einer Person mit solch einem leidenschaftlichem Wissensdurst und hohem Maß an Selbstreflexion vermittelt keine gewohnte Sturheit, sondern den Wunsch auf eine ständige Auseinandersetzung mit der Umwelt, nie müde zu sein sich weiterzuentwickeln.
„Ausleihen sollten wir uns an andere, hingeben aber nur an uns selbst.“ (Montaigne)
The Doors zu hören und Dostojewski zu lesen muss nicht zwingend von zwei Personen verkörpert werden – Susan Sontag zeigt sich in dem Interview als starke und zugleich ungemein inspirierende Persönlichkeit. Sich nicht festzulegen, sich nicht in eine Schublade verstauen zu lassen, sondern mit neugierigen Augen allem gegenüber offen zu sein – eine Anregung, der sich mancher von uns hingeben sollte. Eine klare Leseempfehlung!
Nicole
urwort.com
The Doors und Dostojewski, Susan Sontag (Autor), Jonathan Cott (Autor), Georg Deggerich (Übersetzer), Hoffmann und Campe, 2014
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