Tierisch faszinierende Sinneswelten

von | 19.02.2023 | Buchpranger, Sach- und Fachbücher

Der wuchtige Titel „Die erstaunlichen Sinne der Tiere“ von Ed Yong beinhaltet ein Feuerwerk an Wahrnehmungen – angefangen bei Gerüchen bis hin zu magnetischen Feldern. Satzhüterin Pia ist mit Begeisterung abgetaucht und hat Erstaunliches über die Vielfalt unserer Welt gelernt.

Ed Yong beginnt sein Buch mit einem Gedankenexperiment, das Leserinnen und Leser auf den Inhalt einstimmt: Er setzt sieben Lebewesen in einem beengten Raum, einer Turnhalle, zusammen. Sie „teilen sich den gleichen physischen Raum, erleben ihn aber auf wundersame Weise höchst unterschiedlich“, schreibt der Wissenschaftsjournalist. Damit kommt er direkt auf den Kern des Buches zu sprechen: Alle Sinne schaffen eigene Lebensrealitäten. Und alle Sinne sind hochgradig faszinierend und mitunter auch in sich verschieden – denn nicht alle Tiere sehen, riechen oder hören auf die gleiche Weise. Noch dazu gibt es mehr als die uns bekannten Sinne, die die eingeschränkte Sicht des Menschen ausmachen. Zum Beispiel Zittersensoren in den Haaren oder Infraschall in Füßen. Die Sinne werden kapitelweise detailliert vorgestellt und in ihrer Abstraktheit möglichst verständlich gemacht.

„Wenn wir die Umwelt eines anderen Tieres verstehen wollen, müssen wir als Erstes verstehen, wozu es seine Sinne nutzt.“ (S. 80f)

Wir Menschen neigen dazu, die Welt durch unsere – im Vergleich zu den meisten Tieren sehr guten – Augen zu sehen und zu bewerten. Dabei wird diese Bewertung schnell zu unseren Gunsten ausgelegt. Tatsächlich aber gibt es kein „besser“ oder ein „schlechter“, einzig unterschiedliche zweckbezogene Entwicklung. Ein Elefant muss nicht gestochen scharf sehen, wenn er dafür derartig gut ausgeprägte andere Sinne hat, wie zum Beispiel seine hochempfindlichen Füße.

Ed Yong schreibt unterhaltsam, lebhaft und sehr bildlich über eine faszinierende und für die Menschen oft verborgene Welt der Tiere. Frei von verwirrendem Wissenschaftsjargon bringt er Leserinnen und Lesern diese fremden und sehr abstrakten Welten so nah, wie nur irgend möglich. Dafür nutzt der Autor beschreibende und poetische Worte, viele Beispiele, Anekdoten und Gleichnisse. Auch mit Experimenten versucht er, Abstraktes nahbar zu machen. Zum Beispiel probiert er sich am Fährtenlesen aus und verfolgt Spuren wie ein Hund es tun würde. Seine Neugierde wirkt dabei ansteckend und inspirierend: Man möchte unbedingt auch über den eigenen Tellerrand blicken, betrachtet die Welt aus interessierteren und offeneren Augen.

„Dieses Buch handelt nicht von Überlegenheit, sondern von Vielfalt.“ (S. 12)

Natürlich bleiben auch Themen wie Umweltverschmutzung und Klimawandel nicht aus. „Wir müssen die Stille retten und die Dunkelheit erhalten“, schreibt Yong an einer Stelle und nennt auch sein letztes Kapitel ganz ähnlich. Denn viele Sinne werden durch uns Menschen, die Lichter und den Lärm unserer Städte irritiert und erschweren den Tieren ihre Orientierung und Überlebensfähigkeit.

Die Einblicke in die Sinneswelten der Tiere erzeugen Demut und sensibilisieren für alles, was wir erst einmal nicht mit unseren Sinnen auf „dem Schirm“ haben, aber dringend haben sollten. Der eigene Horizont wird erweitert und man bekommt Lust darauf, die Welt entschleunigt zu betrachten. Das Buch ist in seiner Gesamtheit aber auch sehr opulent und kann mit all den Informationen und Fußnoten überfordern. Wer möglichst viel mitnehmen möchte, genießt es besser in eher kleineren Dosierungen.

„Tiere sind nicht nur Stellvertreter für Menschen oder Futter für die Suche nach Ideen. Sie tragen ihren Wert in sich selbst. Wir werden ihre Sinne erkunden, um ihr Leben besser zu verstehen.“ (S. 12)

In „Die erstaunlichen Sinne der Tiere“ hat Ed Yong wahrlich faszinierende Sinne zahlloser Tiere und unterhaltsame Anekdoten aus Tier- und Forscherwelt in einem bemerkenswert unkomplizierten Stil zusammengetragen – aber am Ende beeindruckt mich etwas anderes am meisten: Seine wertschätzende und inspirierende Sicht auf die Welt und ihre Bewohner.

Die erstaunlichen Sinne der Tiere. Erkundungen einer unermesslichen Welt. Ed Yong. Übersetzung: Sebastian Vogel. Kunstmann. 2022.

[tds_note]Wir verlosen ein Exemplar von Ed Yongs „Die erstaunlichen Sinne der Tiere“.

Schreibt uns bis zum 23.02.2023 um 18 Uhr an stadtgespraech[at]buecherstadtkurier.com, welche Sinne der Tiere ihr gerne erleben wollen würdet! Wir benachrichtigen die Gewinnerin oder den Gewinner per E‑Mail und geben sie oder ihn anonymisiert in den Kommentaren unter diesem Beitrag bekannt.[/tds_note]

Pia Zarsteck

Pia Zarsteck

Pias Liebe zur Literatur hat sie vor Jahren an die Uni Bremen geführt, wo sie bis zum Masterabschluss Germanistik studierte. Heute ist sie Vorsitzende im Bücherstadt e.V., Mama einer Vierjährigen und beruflich ganz woanders unterwegs - aber immer noch vernarrt in Bücher und Spiele. Ein Leben ohne die Bücherstadt kann sie sich nicht vorstellen.

1 Kommentar

  1. Bücherstadt Kurier

    Das Verlosungsexemplar hat Falko B. gewonnen. Herzlichen Glückwunsch und viel Spaß beim Lesen!

    Antworten

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